China: Viele EU-Unternehmen denken an Abwanderung

Peking (dpa) - Mehr als jedes fünfte europäische Unternehmen in China denkt an eine Abwanderung in andere Länder. Zwar werde das Reich der Mitte ein immer wichtigerer strategischer Markt, doch erschwerten das unsichere behördliche Umfeld, die Marktbarrieren und der Kostendruck das Geschäft.

Das ergab eine am Dienstag in Peking vorgelegte Umfrage der Europäischen Handelskammer in China unter seinen Mitgliedern. „Wenn eins von fünf Unternehmen erwägt, das Land zu verlassen, würde ich das als ziemlich alarmierend betrachten“, sagte EU-Kammerpräsident Davide Cucino vor Journalisten.

In der Umfrage gaben 22 Prozent an, wegen der Ungewissheiten im Umgang mit Behörden, der unterschiedlichen Auslegung von Gesetzen und Vorschriften sowie der steigenden Arbeitskosten in China darüber nachzudenken, ihre Investitionen in andere Länder zu verlagern. Es gebe „ein starkes Gefühl der Frustration“. Auch werde befürchtet, dass ausländische Unternehmen auch in Zukunft unter Diskriminierung leiden müssten. „Die Entwicklung des behördlichen Umfelds hinkt hinter der Entwicklung des Marktes her“, heißt es in dem Bericht.

Jedes zweite europäische Unternehmen in China (48 Prozent) gab an, dass ihm wegen behördlicher Hürden mögliche Geschäfte entgangen seien. Von dieser Gruppe schätzten wiederum zwei Drittel (64 Prozent), dass ihnen dadurch Einnahmen von mehr als zehn Prozent ihres Geschäftsvolumens durch die Lappen gegangen sein dürften. Die derart verpassten Geschäftsmöglichkeiten summierten sich auf einen „extrem großen Betrag“ in mehrfacher Milliardenhöhe, schilderte eine Quelle in der EU-Kammer der Nachrichtenagentur dpa.

40 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die amtliche Politik gegenüber ausländischen Unternehmen heute „weniger gerecht“ sei als noch vor zwei Jahren. Die „beliebige Umsetzung von Vorschriften“ sei das größte Hindernis. Die Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit und eine transparentere Politik betrachten die europäischen Unternehmen als wichtigsten Motor für weiteres Wachstum in China. Obwohl Chinas Regierung immer beteuere, dass ausländische Unternehmen in China auch als chinesische Firmen behandelt werden sollen, fühlten sich viele EU-Investoren weiter unfair behandelt.

Trotz der Frustration scheint die Attraktivität des zunehmend wichtiger werdenden Wachstumsmarktes weiter groß zu sein: 63 Prozent der befragten Unternehmen planen neue Investitionen. Mehr als die Hälfte blickt dafür in neue Provinzen im Inneren oder Westen Chinas. 61 Prozent haben 2011 neue Mitarbeiter eingestellt. Fast drei Viertel planen weitere Neueinstellungen in den nächsten zwei Jahren. Die Hälfte der EU-Unternehmen machten mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen in China - das sind 50 Prozent mehr als 2009.

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