Beunruhigende Nachrichten für Fotografen

Auch Fotos sind nach neuem europäischem Datenschutzrecht personenbezogene Daten. Wer ohne Einwilligung des Fotografierten Bilder macht, riskiert Geldbußen.

Beunruhigende Nachrichten für Fotografen
Foto: dpa

Düsseldorf. Fotografieren ist im digitalen Zeitalter ganz einfach geworden, ob per Smartphone oder Digitalkamera. Doch mit dem „einfach“ könnte es bald zu Ende sein, sehr bald: nämlich am 25. Mai. Denn da tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Und danach gilt: Eine Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten ist grundsätzlich nur noch mit Einwilligung des Betroffenen erlaubt.

Aber ist denn auch ein Foto eine Datenerhebung? Gewiss doch. Denn mit dem von einer Digitalkamera aufgenommenen Foto einer Person werden im Hintergrund in der Regel noch andere Daten gespeichert: GPS-Daten, die etwas über den Ort und den Zeitpunkt der Aufnahme aussagen. So lässt sich darauf schließen, wann sich die auf dem Foto zu sehende Person wo befand.

Aber schon ohne solche Metadaten dürften Digitalfotos als personenbezogene Daten anzusehen sein. Und selbst wenn in alter analoger Technik aufgenommene Fotos eingescannt werden, werden die neuen strengen Regeln gelten. Heißt es doch in Artikel 2 der DSGVO: „Diese Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“

Immerhin gibt es das „Haushaltsprivileg“. Das strenge Datenschutzrecht gilt nicht für private Erinnerungsfotos. Doch Lars Rieck, Hamburger Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, warnt in einer viel beachteten rechtlichen Analyse in seinem Blog: Wenn es nicht mehr um rein analoge Aufnahmen geht oder um Fotos im persönlichen und familiären Bereich, dann gelte die DSGVO. Und damit das grundsätzliche Erfordernis, dass der Fotografierte einwilligen muss. Rieck hat beunruhigende Nachrichten für Fotografen: „Wenn Sie nicht für die sogenannte institutionalisierte Presse oder ein Rundfunkunternehmen bzw. dessen Zulieferer, Wissenschaft und Forschung oder ,Kunst’ arbeiten, können Sie aller Wahrscheinlichkeit nach Fotos und Filmaufnahmen, auf denen Personen zu erkennen sind, in Zukunft nur noch mit deren Einwilligung anfertigen, speichern und/oder verarbeiten sowie weitergeben, nutzen etc.“ Dabei müsse man sich bewusst sein, dass das Lächeln des Fotografierten in die Kamera keine ausreichende Einwilligung sei. Auf völlig sicherem Terrain ist der Fotograf nicht einmal dann, wenn er die Einwilligung des Fotografierten bekommen hat. Denn dieser kann sie später widerrufen.

Noch eine Ausnahme regelt Artikel 6 der DSGVO, wonach eine personenbezogene Datenerhebung und damit Digitalfotos in bestimmten Fällen auch ohne Einwilligung erlaubt sind: wenn es um die Erfüllung eines Vertrages mit der auf dem Bild zu sehenden Person geht. Etwa dann, wenn ein Hochzeitsfotograf Bilder vom Brautpaar macht. Aber: Sind andere Hochzeitsgäste auf dem Foto zu sehen, müssten sie wohl selbst zustimmen, der Vertrag des Fotografen mit dem Hochzeitspaar erstreckt sich nicht automatisch auf sie. Sportfotografen, denen der Sportverein erlaubt hat, die Spieler zu fotografieren, dürften nicht automatisch auch die Zuschauer fotografieren. Gleiches gilt bei einem Konzert.

Eine weitere Ausnahme, wonach auch nach neuer Rechtslage keine Einwilligung des Betroffenen vorliegen muss, ist das sogenannte Medienprivileg. Laut Artikel 85 DSGVO sind nationale Regelungen für Datenverarbeitungen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken möglich. Hier gilt weiter das Kunsturhebergesetz (KUG), wonach die Fotoveröffentlichung und damit auch das Fotografieren in verschiedenen Konstellationen auch ohne Einwilligung des Fotografierten möglich ist: nämlich dann, wenn es um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte geht. Oder um ein bei einer öffentlichen Versammlung aufgenommenes Bild. Oder um ein Foto, auf dem die abgebildete Person als bloßes „Beiwerk“ neben Landschaft und Örtlichkeit erscheint.

Doch diese Privilegien gelten eben nicht für jedermann. Und so bleibt unklar, was mit Blick auf berufliche oder private Zwecke gilt. Hier muss man mit Unwägbarkeiten leben, bis entweder der Gesetzgeber Klarstellungen macht oder Gerichte die zu erwartenden Streitfälle entscheiden. Anwalt Rieck warnt Fotografen vor umfassenden Rechten der fotografierten Personen: Recht auf Auskunft, Berichtigung und Löschung der Fotos. Und eventuell auch ein Recht auf Schadensersatz.

Rieck jedenfalls geht davon aus, dass auch alle Kreativen, die nicht Angehörige der institutionalisierten Presse sind, wie etwa Influencer, Blogger, Öffentlichkeitsarbeiter in Unternehmen, Verantwortliche in Vereinen oder PR- und Werbeagenturen vor der Erstellung, Verbreitung oder Veröffentlichung von digitalen personenbezogenen Fotos und Filmen künftig höchste Vorsicht walten lassen müssen.

Ein anderer Medienrechtsanwalt, der Stuttgarter Carsten Ullbricht, sieht die Sache weniger dramatisch. Er schreibt in seinem Blog: „Selbst wenn man das für spezifische Verarbeitungsvorgänge anders sehen kann, so bleibt neben der Einwilligung stets auch die Legitimation über berechtigte Interessen.“ Was er meint: Die DSGVO erlaubt nach ihrem Artikel 6 das digitale Fotografieren nicht nur bei Einwilligung und bei Erfüllen einer vertraglichen Pflicht, sondern auch bei „berechtigtem Interesse“. Doch wann ein solches berechtigtes Interesse vorliegt, dürfte Auslöser von Rechtsstreitigkeiten sein. Ullbricht gibt sich da zuversichtlich und glaubt, „dass das Thema, das derzeit in diversen Facebookgruppen dramatisiert wird, sicher nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird.“

Sein deutlich skeptischerer Kollege Lars Rieck schreibt in seinem Blog, dass ihm nach seiner rechtlichen Analyse vorgeworfen worden sei, er betreibe Panikmache. Doch Rieck betont, es sei doch gerade nicht sicher, wie Gerichte entscheiden werden, wenn sie die neue DSGVO auslegen.

Auch Christian Solmecke, Kölner Rechtsanwalt für Medienrecht, weist darauf hin, dass derzeit noch gar nicht klar ist, inwieweit die aus Fotografensicht weitergehenden Rechte des KUG oder aber die strenge DSGVO gelten. Wenn die DSGVO nur für Pressefotografen ausgenommen werde, dann sei sie in fast allen anderen Bereichen anwendbar. Leider bestünden, so Solmecke, derzeit für alle Fotografen diverse Rechtsunsicherheiten und Risiken. Hierfür sei auf Klarstellungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung zu warten. Es sei durchaus möglich, dass demnächst Abmahnkanzleien versuchen werden, verunsicherte Fotografen wettbewerbsrechtlich abzumahnen. Hier gelte es, Ruhe zu bewahren und einen Anwalt zu kontaktieren. Denn gerade weil die Klärung durch die Gerichte abzuwarten sei, bestehe eine gute Chance, hier Recht zu bekommen.

Gleiches gelte, sollten die Aufsichtsbehörden Bußgelder verhängen. Diese könnten zwar theoretisch sehr hoch sein — doch auch hier lohne sich aufgrund der Rechtsunsicherheit im Einzelfall ein Gang vor die Verwaltungsgerichte.

Der Auflösung der allgemeinen Verunsicherung ist es da ganz und gar nicht dienlich, dass selbst die NRW-Datenschutzbeauftragte keine Richtung vorzugeben vermag. Zwei Wochen vor Wirksamwerden der neuen Datenschutzregeln heißt es von ihrem Sprecher auf Anfrage dieser Zeitung: „Die Prüfung dieser komplexen Fragestellung ist noch nicht abgeschlossen.“ Man könne daher dazu derzeit keine Stellungnahme abgeben.

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