Statistik Beschäftigte machen wieder mehr Überstunden

Fast eine Milliarde sind unbezahlt. Unternehmen stehen in der Kritik.

Statistisch gesehen arbeitete 2015 jeder Beschäftigte in Deutschland 46,8 Stunden länger als vereinbart, also mehr als eine Arbeitswoche.

Statistisch gesehen arbeitete 2015 jeder Beschäftigte in Deutschland 46,8 Stunden länger als vereinbart, also mehr als eine Arbeitswoche.

Foto: dpa

Berlin. Die gute Konjunktur macht es offenbar notwendig - die Arbeitnehmer in Deutschland leisten wieder mehr Überstunden als in den Vorjahren. Nach Informationen unserer Redaktion ist die Zahl im vergangenen Jahr auf 816,2 Millionen bezahlte und 997,1 Millionen unbezahlte Überstunden gestiegen. Zum zweiten Mal in Folge. Statistisch gesehen arbeitete damit 2015 jeder Beschäftigte 46,8 Stunden länger als vereinbart, also mehr als eine Arbeitswoche.

Das geht aus einer aktuellen Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) hervor, das zur Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört. Demnach fielen 2014 nur 797,7 Millionen bezahlte und 993,4 Millionen unbezahlte Überstunden an, im Jahr 2013 waren es mit 794,5 Millionen entlohnten und 982,1 Millionen nicht entlohnten Überstunden ebenfalls weniger. Die Erhebung liegt unserer Redaktion vor. Wenn Jahr für Jahr fast zwei Milliarden Überstunden aufliefen, so die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, zeige dies, wie eng die Personaldecke in den Unternehmen sei.

"Hier werden keine spontanen Produktionsspitzen ausgeglichen, sondern es fehlt dauerhaft an ausreichend Mitarbeitern, um die Arbeit in der vereinbarten Zeit zu erledigen", so Zimmermann. Die Überstunden seien zudem eine Spiegelbild von Arbeitsverdichtung und zunehmendem Stress. "Deutschland würde ein wahres Jobwunder erleben, wenn die Unternehmen, statt Überstunden zu verlangen, Stellen einrichten würden", kritisierte Zimmermann weiter.

Schaut man auf das erste Quartal des laufenden Jahres, leisteten die Arbeitnehmer bereits 253,7 Millionen unbezahlte Überstunden gegenüber 249,6 Millionen im Vorjahresquartal. Die Zahl der bezahlten Überstunden ging hingegen mit 185,4 Millionen gegenüber dem Vorjahr (187,2 Millionen) leicht zurück. Nach Ansicht des Arbeitsmarktexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), Holger Schäfer, verbindet sich mit Überstunden eine starke konjunkturelle Komponente: "Je besser es läuft, desto mehr fallen an", so Schäfer zu unserer Redaktion.

Besonders in Branchen mit einer schwankenden Auftragslage sowie dem Dienstleistungsgewerbe sei die Mehrarbeit von Arbeitnehmern nötig. Unbezahlte Überstunden würden vor allem Hochqualifizierte oder Beschäftigte mit Führungsaufgaben leisten. Nach wie vor, so Schäfer, seien Überstunden für Unternehmen wichtig. Aber in den letzten Jahren hätten die Firmen ihren Mitarbeitern verstärkt flexible Arbeitszeitmodelle angeboten und auf befristete Beschäftigung sowie Zeitarbeit gesetzt.

DGB-Vorstandmitglied Annelie Buntenbach kritisierte vor allem die Masse an nicht entlohnter Mehrarbeit: "Fast eine Milliarde unbezahlter Überstunden sind ein Skandal, der schnell beendet werden muss", so Buntenbach zu unserer Redaktion. Es sei "unerträglich, dass Beschäftigte, die hochflexibel arbeiten und Überstunden schieben, von den Arbeitgebern auch noch um den Lohn gebracht werden." Arbeitszeit müsse stattdessen "vollständig erfasst und entlohnt werden".

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