Berlin will superschnellen Börsen-Handel strenger regulieren

Berlin (dpa) - Deutschland soll nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition bei der Regulierung des superschnellen Computerhandels an den Börsen vorpreschen. Nach den Plänen soll die Börsenaufsicht jederzeit den umstrittenen Hochfrequenzhandel stoppen können.

Union und FDP wollen zudem Eingriffsbefugnisse und Haftungsrisiken der Aufsicht klären und so bestehende Lücken in einem nationalen Alleingang schließen. Die Erfahrungen sollen dann in die geplanten EU-Regeln einfließen, erklärten Finanzexperten am Dienstag in Berlin.

Beim automatisierten Hochfrequenzhandel werden Computer mit komplizierten Formeln und mathematischen Algorithmen gefüttert. Der superschnelle Handel per Auto-Pilot gilt als ein Auslöser vieler Börsen-Turbulenzen. Innerhalb von Millisekunden werden Aktien gekauft und wieder verkauft, um minimale Kursdifferenzen zu nutzen und Milliarden zu bewegen. Der stark zugenommene „Algo-Handel“ macht Kettenreaktionen und Betrugsfälle wahrscheinlicher. Fallen Kurse, zieht dies weitere Verkaufswellen nach sich, was Panik auslösen kann.

Die Koalition will laut „Financial Times Deutschland“ Händler verpflichten, die Algorithmen der Aufsicht offenzulegen, zumindest bei Nachfragen. Bisher haben Börsen und Behörden keinen Zugriff auf Software und Programmierer. Aufseher können deshalb nachträglich nur schwer nach Ursachen für extreme Preisausschläge suchen.

FDP-Finanzexperte Volker Wissing kritisierte, es gebe derzeit in Deutschland unklare Eingriffsbefugnisse und unpräzise Haftungsregeln bei einem Einschreiten der Aufsicht. Nötig seien auch Zulassungsverfahren und ein Zugang zu den Algorithmus-Experten. Diese Lücken zu schließen, sei eine nationale Aufgabe. Es handele sich um eine Ergänzung zu der geplanten Regulierung auf EU-Ebene.

Bis Ende Juni sollen Eckpunkte stehen, im Herbst soll es einen Gesetzesvorschlag geben. Ein Komplett-Verbot des Hochfrequenzhandels lehnt Wissing ab. „Das kann sich Deutschland nicht leisten.“ Es gehe auch nicht darum, diesen Handel künstlich zu verlangsamen.

Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU), erklärte: „Wir sollten das, was wir bereits jetzt tun können, auch abarbeiten und nicht warten, bis entsprechende Regelungen auf europäischer Ebene ausverhandelt sind. Das kann noch lange dauern.“ Die bestehenden Defizite müssten beseitigt werden.

Es gebe zum Beispiel keine Erlaubnispflicht für Unternehmen, die den Hochfrequenzhandel betreiben. Es müsse auch die Möglichkeit zur Handelsunterbrechung bei erheblichen Preisbewegungen geben. Regeln zur Verhinderung von Marktmissbrauch müssten konkretisiert werden.

Politikern und Regulierern auch auf EU- und internationaler Ebene ist der von Computern gesteuerte Handel mit Aktien, Anleihen und Geld seit langem ein Dorn im Auge. Die EU-Kommission hatte im Oktober Vorschläge gemacht. Auch Banken und Börsen wollen in die Offensive gehen und so schärfere Vorgaben oder gar Verbote durch die Politik verhindern. Unter anderem riefen Top-Banker Betreiber von Handelsplattformen auf, ihre Hochfrequenz- und Algo-Handelsstrategien zu überprüfen und mit den Aufsichtsbehörden Maßnahmen auszuloten.

Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, den Hochfrequenzhandel bei raschen Kursschwankungen stoppen zu lassen. Handelsplattformen und Börsen müssten dann Sicherungssysteme in ihre Software einbauen.

In der Koalition gibt es schon seit langem Bestrebungen, den Hochfrequenzhandel einzudämmen. Auch im Zusammenhang mit der Finanztransaktionssteuer wird über entsprechende Maßnahmen nachgedacht. Ins Gespräch gebracht wurde auch schon einmal, den superschnellen Computerhandel ganz zu verbieten. In einem Antrag zur Regulierung der Rohstoffmärkte hatten Union und FDP auch gefordert, alle Hochfrequenzhändler unter Finanzaufsicht zu stellen.

Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hatte den Hochfrequenzhandel als Teil eines Acht-Punkte-Plans zur Regulierung der Finanzmärkte ins Visier genommen. So sollten nach den Plänen künftig an allen Börsen der EU automatische Handelsunterbrechungen bei starken Kursschwankungen möglich sein. Eine solcher Stopp ist bei den meisten deutschen Börsen bereits üblich.

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