Benzin-Schock: Zwist über Pendlerpauschale - Röttgen dafür, Merkel dagegen

Schwarz-Gelb ist im Kampf gegen hohe Benzinpreise auf Schlingerkurs. Es gibt viele Ideen und widersprechende Positionen in der Koalition. Aber keinen Plan, ob und wie den Autofahrern geholfen werden kann.

Berlin. Die höchsten Benzinpreise aller Zeiten lassen den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wachsen, die Pendlerpauschale zu erhöhen. Führende Unions- und FDP-Politiker machten sich am Montag für mehr als die derzeit 30 Cent pro Kilometer stark. Merkel sieht hierzu keinen Anlass. „Die Bundesregierung kann den Ärger vieler Autofahrer verstehen“, sagte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die Pendlerpauschale habe aber nichts direkt mit den Benzinpreisen zu tun, sondern werde unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel gezahlt. Das Bundeswirtschaftsministerium betonte hingegen, Minister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) halte an seiner Forderung nach einer höheren Pendlerpauschale fest.

Dies könne ein Thema bei dem nächsten Koalitionsausschuss werden. „Die Arbeitnehmer leiden erheblich unter den Mobilitätskosten“, sagte ein Sprecher. Koalitionspolitiker, auch der CDU, hatten eine Erhöhung um 5 bis 10 Cent vorgeschlagen. Den Staat kostete die Pauschale im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro.

Damit können Arbeitnehmer die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte bei der Steuererklärung als Werbungskosten geltend machen. Die Benzinpreise setzten unterdessen zum vorösterlichen Höhenflug an. Zum Wochenbeginn registrierten die Ölkonzerne Durchschnittspreise von bis zu 1,68 Euro für einen Liter Super E10 und 1,71 Euro für die meistgetankte Sorte Super E5 mit fünf Prozent Ethanol, wie Sprecher der Unternehmen in Hamburg mitteilten.

Der Liter Diesel kostete bis zu 1,53 Euro im Bundesdurchschnitt. Als Maßnahme für mehr Transparenz soll die Regierung auf Wunsch der Bundesländer und der Fraktionen von Union und FDP auch eine Preisfessel für Tankstellen prüfen. Etwa ein striktes Verbot mehrmaliger Erhöhungen am Tag nach dem in Westaustralien oder in Österreich praktizierten Modell.

Doch Experten sehen darin keine Garantie für dauerhaft niedrigere Benzinpreise an der Tankstelle. Auch CDU-Vize und Umweltminister Norbert Röttgen brachte eine höhere Pendlerpauschale ins Spiel. Zunächst müsse der Staat aber versuchen, die Mineralölkonzerne an die Kette zu legen, sagte er in Düsseldorf. „Wenn das nicht in absehbarer Zeit gelingen sollte, dann darf der Staat die Bürger nicht im Regen stehen lassen.“

Dann müsse die Pendlerpauschale erhöht werden. In NRW wird am 13. Mai ein neuer Landtag gewählt, Röttgen ist der CDU-Spitzenkandidat. Regierungssprecher Seibert betonte, bei hohen Benzinpreisen sei statt einer höheren Pauschale das Wettbewerbsrecht das geeignete Mittel, um Marktmissbrauch im Mineralölbereich zu begegnen.

So gebe es bereits das Verbot, dass Konzerne ihren Tankstellen Benzin günstiger verkaufen dürfen als den freien Tankstellen. Weiter steigende Spritpreise könnten nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) das Wirtschaftswachstum in Deutschland gefährden. „Bei zwei Euro an der Preistafel fängt die Konjunktur an zu knirschen“, sagte DIHK-Präsident Hans-Heinrich Driftmann der „Bild“-Zeitung.

Für den Fall, dass die Benzinpreise sich auf dem hohen Niveau einpendeln, forderte der DIHK-Präsident von der Bundesregierung eine Begrenzung der Energiesteuern, um die Wirtschaft und die Kaufkraft der Verbraucher zu unterstützen. Der Staat kassiert bei einem Liter Benzin mehr als 90 Cent und damit mehr als die Hälfte über Steuern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte eine Senkung von Mineralöl- oder Mehrwertsteuer beim Benzin ab.

Sein Sprecher betonte, es gebe keine Planungen, ob ab einem bestimmten Benzinpreis Änderungen an dieser Haltung anstünden. Die Grünen lehnten eine höhere Pendlerpauschale ab. Fraktionsvize Bärbel Höhn betonte: „Eine Erhöhung der Pendlerpauschale um 5 oder 10 Cent würde nur in die Taschen der Mineralölkonzernen fließen“. Diese nutzten ihre marktbeherrschende Stellung schon jetzt aus, „um die Verbraucher abzuzocken“.

Die Forderungen von FDP und Union seien nichts als Wahlkampfgetöse vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Die Zeit des billigen Öls sei vorbei. Es gelte, beim Energiesparen und der Suche nach Öl-Alternativen voranzukommen. Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch forderte hingegen eine Erhöhung auf 45 Cent pro Kilometer. „Seit dem Jahr 2004 ist keine Erhöhung mehr erfolgt, das ist eine sehr lange Zeit“, sagte Lötzsch in Berlin.

Der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler sagte dem Deutschlandradio Kultur, wichtiger sei es, dass die Bürger auf energieeffiziente Autos und alternative Kraftstoffe wie Erdgas setzen. Auch der Nahverkehr sei eine Alternative für die Bürger. „Sie haben Möglichkeiten, nicht diesen hohen Energiekosten ausgeliefert zu sein, sondern Sie können reagieren“, betonte er.

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