Aus für Schlecker - Tausende Jobs fallen weg

Ehingen/Berlin (dpa) - Schlecker wird zerschlagen. Die Gläubiger haben das Ende der insolventen Drogeriekette besiegelt. Tausende Mitarbeiter in Deutschland stehen vor dem Aus. Eine Zukunft soll es nur für die Töchter IhrPlatz und Schlecker XL geben.

Nach monatelangem Ringen werden damit mehr als 13 000 Menschen in Deutschland Ende Juni ihren Job verlieren. Die Gläubiger beschlossen das Aus für die insolvente Drogeriemarktkette Schlecker in einer knapp dreistündigen Sitzung in Berlin. Mögliche Investoren hätten zu wenig geboten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte, dass sich die Bundesarbeitsagentur rasch um die betroffenen Mitarbeiter kümmern werde. „Wir müssen die Entscheidung zur Kenntnis nehmen, die die Gläubiger gefällt haben“, sagte Merkel. Gewerkschaft und Betriebsräte protestierten indes vor dem Bundeskanzleramt.

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz erklärte das Scheitern der Rettung so: „Die Angebote waren nicht akzeptabel, weil sie deutlich unter einer Zerschlagung lagen.“ Er bedauere die Entscheidung im Hinblick auf die vielen, zum Teil langjährigen Schlecker-Mitarbeiter sehr. „Aber es gab kein annehmbares Angebot.“ Ein Knackpunkt sei die Zahl der Kündigungsklagen gewesen. Deswegen hätten die beiden Investoren ihre Angebote reduziert. „Dass es keine Transfergesellschaft gab, wurde auch negativ gewertet.“

In einem Schreiben an die Beschäftigten, das der dpa vorliegt, heißt es: „Wir haben in den letzten Wochen für eine Fortführung des Gesamtkonzerns intensiv gekämpft und diese Entscheidung ist sicher eine Enttäuschung für uns alle. Ihnen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, kann ich versichern, dass wir uns auch in der Abwicklung absolut fair verhalten werden.“

Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, gab der Politik und vor allem der FDP die Schuld für das Aus, weil sie Ende März eine Transfergesellschaft verhindert hatte. „Die Verantwortung liegt bei Philipp Rösler und Rainer Brüderle“, sagte Bsirske.

Die Politiker wehrten sich. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte: „Grundsätzlich gilt in der sozialen Marktwirtschaft, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, Unternehmen zu retten.“ Dies wäre wettbewerbsverzerrend und würde an anderer Stelle viele Arbeitsplätze kosten. Er könne die Sorgen der Mitarbeiterinnen verstehen. „Sie können sich aber auf das umfangreiche Hilfsangebot der Bundesagentur für Arbeit verlassen.“

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gab den Gewerkschaften eine Mitschuld. Die Pleite liege zuallererst an unternehmerischen Fehlentscheidungen, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Samstag). „Aber auch die Gewerkschaften haben mit ihren wiederholten Aufrufen zum Käuferstreik bei Schlecker dazu beigetragen, dass die Marktposition von Schlecker gegenüber den Mitbewerbern geschwächt wird.“

Als erstes verkündete Geiwitz die Hiobsbotschaft den Betriebsräten, parallel wurde sie an die Belegschaft geschickt. Betriebsratschefin Christel Hoffmann hörte sich die Erklärung von Geiwitz gemeinsam mit Hunderten anderen Arbeitnehmervertretern im Stehen an: „Die Mitarbeiter haben das mit Würde und mit erhobenem Haupt aufgenommen.“ Sie warf der Politik „fehlende Qualifikation, unglaubliche Arroganz und Scheinheiligkeit“ vor.

In dem Brief an die Beschäftigten appellierte Geiwitz, durchzuhalten und ihren Pflichten nachzukommen. „Uns ist vollkommen klar, dass dies für Sie persönlich, wie auch Ihre Familien, eine extrem belastende Situation ist, die mit Unsicherheiten und möglicherweise auch Wut verbunden ist“, heißt es in dem Schreiben. „Trotzdem möchten wir Sie eindringlich bitten, den Ausverkauf und die ordnungsgemäße Umsetzung nach Kräften zu unterstützen.“ Das Unternehmen brauche die Erlöse aus dem Ausverkauf.

Geiwitz versichert: „Die laufenden Gehaltszahlungen sind sichergestellt und auch Mehrstunden werden bezahlt.“ Längere Kündigungsfristen reduzierten sich auf drei Monate als Maximum.

Zugleich mahnt er: „Zum Schutz unserer vielen loyalen Mitarbeiter müssen wir darauf hinweisen, dass Ihr Arbeitsvertrag mit all seinen Rechten und Pflichten nach wie vor Bestand hat und die Insolvenzverwaltung verpflichtet ist, jedweden Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstößen genau nachzugehen.“ Zuvor hatten die „Stuttgarter Nachrichten“ (Samstag) aus dem Schreiben zitiert.

Bis zum Schluss hatten die Schlecker-Mitarbeiter auf einen Retter in letzter Sekunde gehofft - vor allem auf den Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen. Der aber ist bereits in der Nacht zum Entscheidungstag abgesprungen, wie Geiwitz nun sagte. Neben den etwa 4500 Kündigungsklagen habe ihn das mediale Interesse an Schlecker abgeschreckt. Übrig blieb demnach nur noch der US-Investor Cerberus Capital Management. Der hatte Medienberichten zufolge aber nur Interesse an einigen Auslandsgesellschaften.

Der Schlecker-Hauptgläubiger Euler Hermes bezeichnete die K.O.-Entscheidung als alternativlos. „Man kann nur retten, wenn auch ein Retter da ist“, sagte ein Sprecher des Versicherers der Nachrichtenagentur dpa in Hamburg. Euler Hermes hat Forderungen im Wert von rund 300 Millionen Euro an Schlecker. Nach dpa-Informationen sind es beim Gläubiger Arbeitsagentur Ulm Forderungen um die 150 Millionen Euro. Auch die Lieferantengruppe Markant Finanz AG gehört zu den größten Gläubigern. „Es sind bisher Forderungen zwischen 500 Millionen bis zu einer Milliarde angemeldet“, sagte Geiwitz über Forderungen der Schlecker-Gläubiger.

Eine Zukunftsperspektive gibt es lediglich für die rund 1100 Beschäftigten von Schlecker XL sowie die etwa 3990 Mitarbeiter der Tochter IhrPlatz. Sie sollen gemeinsam an einen Investor verkauft werden. Dabei dürfte es sich um den Münchner Investor Dubag handeln. Einen Hoffnungsschimmer könnte es für bis zu 60 der Schlecker-Filialen geben. „Wir versuchen eine Teillösung für die Filialen zufinden. Es ist aber keine große Lösung“, sagte Geiwitz.

Rund 13 200 Menschen werden bis Ende Juni die Kündigung erhalten. Der große Ausverkauf bei Schlecker soll schon Ende nächster Woche beginnen. Parallel würden Gespräche über den Verkauf der noch verfügbaren Auslands-Geschäfte von Schlecker und der Immobilien sowie Lager beginnen. Der Handelsverband Deutschland geht von guten Jobchancen für die Schlecker-Mitarbeiter aus.

Im Zuge der Insolvenz hatten Ende März bereits 11 000 Schlecker-Beschäftigte im Zuge der Insolvenz ihren Arbeitsplatz verloren, nachdem die Transfergesellschaft gescheitert war.

Am 5. Juni kommt die Gläubigerversammlung in Ulm zusammen, das Treffen gilt als formale Absegnung der folgenreichen Entscheidung vom Freitag.

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid bedauerte das Ergebnis, der einstige Drogerieriese stammt aus seinem Bundesland aus Ehingen. „Das ist ein trauriger Tag für die Beschäftigten. Das ist ganz dramatisch“, sagte Schmid.

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