Aus für die Pkw-Maut Nach Urteil des EuGH: Kleinlaute Mauthelden - CSU kassiert Klatsche

Berlin/Luxemburg · Sie hieß „Ausländermaut“, später ganz seriös „Infrastrukturabgabe“ und sie war eines der ganz großen Prestigevorhaben der CSU. Nun ist die Pkw-Maut perdu. Das könnte die Koalition noch beschäftigen.

 Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) spricht bei einem Pressestatement zur Pkw-Maut.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) spricht bei einem Pressestatement zur Pkw-Maut.

Foto: dpa/Sina Schuldt

Der Satz klebt an der Kanzlerin wie Kaugummi am Reifen. „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, sagte sie vor der Bundestagswahl 2013. Wenig später lenkte Angela Merkel auf Druck der CSU doch ein, pochte aber darauf, dass kein Inländer draufzahlen darf.

Die Maut kam zuerst in den Koalitionsvertrag von Union und SPD, dann ins Gesetzblatt. Und jetzt ist das Wahlkampfversprechen der damaligen CDU-Chefin doch irgendwie eingelöst - wenn auch aus Versehen: Die obersten EU-Richter kippten die Pkw-Maut. Das ist eine Blamage aber vor allem für die CSU, die schon seit den 80er Jahren mit einer „Ausländermaut“ als Wahlkampfschlager durch die Bierzelte gezogen war.

Drei Stunden nach der Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beginnt ein ziemlich zerknirschter Bundesverkehrsminister in München mit der Schadensbegrenzung. Ein „herber Rückschlag“ sei das, sagt Andreas Scheuer (CSU). Und listet dann auf: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und auch die EU-Kommission, alle hätten doch „grünes Licht gegeben“. Soll heißen: Dass die Bayern ihr Prestigeprojekt gegen Bedenken in der CDU und Widerstand in der SPD durchgedrückt haben, ist Geschichte. Die Verantwortung liege bei allen, nicht nur bei der CSU.

 PKW-Maut in Europa

PKW-Maut in Europa

Foto: dpa-infografik/dpa-infografik GmbH

Ex-CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer meldet sich stattdessen mit sanfter Kritik an den EU-Richtern: Man müsse Gerichtsurteile akzeptieren, aber nicht verstehen, sagt er. Die Entscheidung werde die Zustimmung zu europäischen Institutionen nicht gerade erhöhen - und das sei „schade“.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der einen erheblichen Teil seiner Zeit im Bundesverkehrsministerium als Mautminister verbracht hatte, beklagt: Es werde „mit zweierlei Maß gemessen“, was in Österreich akzeptiert werde, gestatte der EuGH den Deutschen nicht. Im Kern geht es darum, dass zwar In- und Ausländer Maut zahlen sollten, aber die Inländer parallel bei der Kfz-Steuer entlastet werden.

Im Vergleich zu früheren Sprüchen zum Thema Maut klang die CSU nun relativ kleinlaut. Denkwürdig ist etwa Seehofers Satz Ende 2013: „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht.“ Oder Dobrindt selbst, der 2015 der Opposition im Bundestag und den Kritikern in der Koalition zurief: „Sie ist europarechtskonform, glauben Sie es endlich.“ Wie hätten sie sich bei einem Sieg vor Gericht als Mauthelden gefeiert?

Auch beim sonst omnipräsenten Parteichef Markus Söder herrscht am Dienstag erstmal Funkstille. In der Münchener Partei- und Regierungszentrale reagiert man mit Kopfschütteln, Unverständnis, Ernüchterung. Die Blamage trifft die CSU in einer Zeit, in der sie in der großen Koalition eigentlich gar nicht schlecht dasteht. CDU und SPD haben bei der Europawahl Verluste eingefahren und kämpfen mit Personalquerelen. Die CSU dagegen hat in Bayern hinzugewonnen und schießt nicht mehr öffentlich gegen Kanzlerin und CDU-Spitze wie noch im Migrationsstreit.

Nur einen Tag vor der Ohrfeige aus Luxemburg feierten die Bayern sich noch für ihren Grundsteuer-Sonderweg, den sie gegen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) durchgeboxt hatten. Nun könnte Zwist mit Scholz anstehen, weil private Betreiber schon Maut-Vorbereitungen angestoßen hatten - dadurch könnten Entschädigungen fällig werden. Scheuer müsse sicherstellen, dass dem Bundeshaushalt kein Schaden entstehe, fordert SPD-Fraktionsvize Sören Bartol vorsorglich. Der Verkehrsminister berief eine „Task Force“ ein, man könnte auch Arbeitsgruppe sagen.

Sollte die CSU die Klatsche durch eine stärkere Profilierung in der Bundesregierung wettmachen wollen, könnte es noch mehr Ärger geben. Zunächst nutzt die SPD aber fröhlich feixend die Gelegenheit, mal nicht der Buhmann zu sein. Nun sei der „Maut-Murks vom Tisch“, sagt etwa die Chefin der Verkehrsministerkonferenz, Anke Rehlinger (SPD). In der CDU bleibt es relativ ruhig. Merkel sagt sachlich zum Urteil: Scheuer werde nun die Lage analysieren, dann werde man sehen.

Zusätzlich bitter für die Christsozialen ist, dass ausgerechnet der Nachbar Österreich ihnen mit seiner Klage die Maut-Klatsche beschert hat. Gerade beim Verkehr haben der Freistaat und die Alpenrepublik jede Menge Baustellen und Stress miteinander. Mit der Lkw-Blockabfertigung auf der Autobahn sorgt Österreich für Staus in Südbayern, Österreich ärgert sich über die Grenzkontrollen bei der Einreise nach Bayern.

Nun stehen die Sommerferien vor der Tür, und viele deutsche Autofahrer dürften sich nicht nur über Staus ärgern - sondern auch darüber, dass sie in Österreich, der Schweiz, Italien oder Frankreich zur Kasse gebeten werden, während Deutschland bis auf weiteres für Pkw mautfreie Zone bleibt.

(dpa)
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