Aus dem Leben eines Opelaners

Das Werk in Bochum steht wieder auf der Kippe. Für viele Beschäftigte geht es um mehr als den Arbeitsplatz.

Bochum. Morgens um acht steigt Günther Bärwolf in Gelsenkirchen-Rotthausen in seinen silbernen Opel-Calibra. Zwei Liter Hubraum, der Lack glänzt. 115 PS, 21 Jahre alt und top gepflegt — eigenhändig natürlich. Eine gute Viertelstunde fährt der 48-Jährige bis zum Tor 1 des Bochumer Opelwerkes, dann beginnt seine Schicht in der Werkslogistik.

24 Jahre ist der gelernte Radiotechniker bei Opel in Bochum. „Nächstes Jahr hätte ich 25“, sagt er. Hätte? Bärwolf ist sich nicht sicher, wie für ihn die Zukunft aussieht. Die seit Wochen andauernden Spekulationen über eine Werksschließung haben Nerven gekostet. Darauf kann man mit Sarkasmus reagieren. „Seit 2004 werden wir doch einmal im Jahr zugemacht. Wir haben ein dickes Fell bekommen“, sagt Bärwolf. Die Angst geht davon aber nicht weg. „Ich lauf hier schon mal laut schimpfend durch die Wohnung“, sagt er. „Ich gehe nicht mehr so gerne zur Arbeit, wie das früher einmal war.“

Als Bärwolf 1988 zu Opel nach Bochum kam, war das Werk eine Jobmaschine. „Fast 20 000 Leute arbeiteten da“, erinnert er sich. Und das Geld stimmte: 1750 Mark gab es in seinem erlernten Beruf, bei Opel auf einen Schlag gute 600 Mark mehr.

Heute sind es in Bochum noch rund 3200 direkt bei Opel Beschäftigte. Opfer haben sie schon reichlich gebracht, meint Bärwolf. In der ersten Sparwelle wurden im Bochumer Werk 1400 Jobs gestrichen und das Weihnachts- und Urlaubsgeld gekürzt. Die geringeren Einkünfte haben Bärwolf damals wehgetan, weil er mit seiner Partnerin gerade in eine neue Wohnung gezogen war.

Bärwolfs jüngerer Bruder — ebenfalls bei Opel — wechselte im Herbst 2011 im Zuge des Jobabbaus als einer der ersten von Bochum in das Rüsselsheimer Werk. Der kleine Bruder habe sich unten ganz gut eingelebt, sagt Bärwolf.

Heimat der Familie bleibt Gelsenkirchen und ein Dreh- und Angelpunkt die Bochumer Fabrik. Günther Bärwolf war beruflich noch nie weiter weg, auch im Urlaub bleibt er meistens in Gelsenkirchen. Geld und Freizeit gehen für sein Hobby Autorestaurieren drauf. Er bastelt an einem Opel: Ein Kapitän, Baujahr 1964, „mein Geburtsjahr“.

Weg aus Gelsenkirchen und aus dem Bochumer Werk? „Für einen neuen Job würde ich wohl auch weggehen“, sagt er — aber es klingt halbherzig. Das Viertel, die Schrebergärten im Hinterhof mit dem Parkplatz nur für Mieter, dem Großbildschirm des Nachbarn zum Fussballgucken. Der Bäckerladen auf dem Hinweg zur Arbeit und die Currywurstbude auf dem Weg zurück — all das könnte Bärwolf nur schwer verlassen.

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