Athens oberster Steuerfahnder gibt IWF-Chefin recht

Berlin/Athen (dpa) - Nikkos Lekas führt einen schweren Kampf als oberster Steuerfahnder in Griechenland. Er beschwert sich, dass die Politik und Banken seine Arbeit enorm erschweren. Milliardensummen würden nicht eingetrieben.

Lekkas gab der umstrittenen Kritik von IWF-Chefin Christine Lagarde an seinem Land recht. Lekkas sagte der Tageszeitung „Die Welt“, „ich stimme Frau Lagarde vollkommen zu!“. „Die Steuerflucht in Griechenland erreicht 12 bis 15 Prozent des Bruttosozialprodukts. Das sind 40 bis 45 Milliarden Euro im Jahr. Wenn wir davon auch nur die Hälfte eintreiben könnten, wäre Griechenlands Problem gelöst.“ Das verlange natürlich politischen Willen. „Unsere Politiker haben begonnen, das zu verstehen“, sagt Lekkas.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte die Griechen Ende Mai aufgefordert, sich selbst zu helfen, und erklärt, Griechenland könne seine wirtschaftlichen Probleme selbst lösen, indem die Bürger ihre Steuern zahlten. Für diese Kritik war sie von Politikern aller griechischen Parteien scharf verurteilt worden.

Der Chef der Steuerfahndungsbehörde SDOE, der seit 2010 im Amt ist, warnte vor einer „sozialen Explosion“, wenn die Korruption nicht aufhöre, die die ganze Gesellschaft durchdringe, und vor allem, wenn die Eliten weiterhin ungestraft blieben, während das Volk geschröpft werde. Damit beschrieb Lekkas den Kern des griechischen Problems. In Griechenland zahlen die Arbeitnehmer mehr als 75 Prozent der Steuern.

Lekkas kritisiert in der „Welt“ vor allem, dass die Banken die Steuerfahndung zu wenig unterstützten. „Gegenwärtig muss ich leider sagen, dass es keine gute Kooperation mit den Banken gibt“, sagte Lekkas in dem Gespräch. In über 5000 Fällen hätte die Behörde beantragt, Konten von Verdächtigen einzusehen, nur in 214 Fällen sei dies gelungen. Das habe 650 Millionen Euro an Bußgeldern ergeben. Es könnten aber weit mehr sein. Insbesondere in 500 Fällen, die Politiker verschiedenster Herkunft und Parteizugehörigkeit betreffen würden, warte die Behörde schon seit fünf Monaten auf Auskunft.

Lagarde hatte in einem Interview mit der britischen Zeitung „The Guardian“ die Griechen allgemein wegen ihrer Steuermoral kritisiert und die Probleme der Bürger mit denen afrikanischer Kinder verglichen. Viele Griechen reagierten empört auf die Äußerungen der IWF-Chefin, die der Zeitung gesagt hatte: „Ich sorge mich mehr um die Kinder in einem kleinen Dorf in Niger, die nur zwei Stunden Unterricht am Tag haben und sich zu dritt einen Stuhl in der Schule teilen. Sie brennen darauf, Bildung zu bekommen. An diese Kinder denke ich die ganze Zeit. Denn ich glaube, sie brauchen viel mehr unsere Hilfe als die Menschen in Athen.“

Giannis Michelakis, Sprecher der griechischen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte Lagarde wie andere Politiker daraufhin scharf kritisiert: „Es ist als ob man den Kranken, dem man die falsche Medizin gegeben hat, zur Verantwortung zieht.“ Und der Chef des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza), Alexis Tsipras, hatte gemeint: „Das Letzte, was wir brauchen, ist das Mitleid der Frau Lagarde.“ Die große Mehrheit der Griechen zahle Steuern. Warum die Reichen keine Steuern zahlten, da solle sich Lagarde an Sozialisten und Konservative in Athen wenden, nicht an die Bürger. Sämtliche griechische Medien führten an, dass Lagarde selbst keine Steuern zahle, weil sie Diplomaten-Status genieße.

Der Chef der griechischen Sozialisten und frühere Finanzminister Evangelos Venizelos hatte Lagarde aufgefordert, ihre Aussagen zurückzunehmen. Ein Sprecher des IWF schwächte die Aussagen Lagardes später ab, in dem er sagte, sie hätte lediglich auf das Problem der Steuerhinterziehung aufmerksam machen wollen.

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