Anleihenkauf: Zapft die EZB Nationalbanken an?

Frankfurt/Main (dpa) - Die Schuldenkrise im Euro-Raum könnte den Staaten schon bald weitere finanzielle Lasten aufbürden.

Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) Milliarden in riskante Staatsanleihen steckte und nun herbe Verluste fürchtet, drängt sie die nationalen Notenbanken jetzt laut Regierungskreisen zu einer Aufstockung des EZB-Grundkapitals. Auch die Diskussion über eine Ausweitung des gigantischen Rettungsschirms für strauchelnde Euro-Staaten reißt nicht ab.

Vor allem aus Deutschland müsste Unterstützung für die EZB kommen, weil Europas größte Volkswirtschaft den höchsten Anteil am EZB- Kapital hat. Aus deutschen Regierungskreisen verlautete: „Wenn ein solches Anliegen kommt, werden wir es positiv beurteilen.“

Auch über eine mögliche Aufstockung des 750-Milliarden-Euro schweren EU-Rettungsfonds als zusätzliche Maßnahme zur Stützung der Schuldenländer wird wieder heftig spekuliert. Die Bundesregierung hatte einem solchen Schritt am Montag eine Absage erteilt. EZB- Präsident Jean-Claude Trichet wollte sich am Montag in Frankfurt nicht konkret äußern, betonte jedoch: „Wir fordern maximale Flexibilität - quantitativ wie qualitativ.“

Schon Ende November hatte auch Bundesbank-Präsident Axel Weber eine mögliche Aufstockung als Ultima Ratio bezeichnet: „750 Milliarden müssten meines Erachtens längst reichen, um den Markt zu überzeugen, dass eine Attacke auf den Euro nicht erfolgversprechend ist. Wenn dies nicht reiche, dann werde man entsprechend diese Zusage erhöhen müssen. „Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird“, sagte Weber.

Zu den Spekulationen um eine Anhebung des EZB-Grundkapitals lehnte Trichet einen Kommentar am Montagabend ebenso ab wie die Deutsche Bundesbank am Dienstag. Die „Financial Times Deutschland“ (FTD/ Dienstag) berief sich in ihrer Berichterstattung auf Notenbankkreise. Auf faz.net hieß es, das Thema stehe auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des EZB-Rates.

Grund für den Kapitalbedarf sind den Berichten zufolge die Milliarden-Hilfsmaßnahmen in der Finanz- und Schuldenkrise. Insbesondere fürchteten die Notenbanker Verluste durch den Kauf der Anleihen klammer Euroländer wie Griechenland, Irland und Portugal. Seit Mai hat die Notenbank ein Paket von 72 Milliarden Euro an Staatspapieren angehäuft.

Trichet verteidigte die Anleihenkäufe erneut: „Wir achten sehr genau darauf, dass wir alle gegebene Liquidität wieder entziehen. Preisstabilität ist unsere Hauptaufgabe, da werden wir niemals Kompromisse machen.“

Gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten (Euro-Bonds) lehnte Trichet als einen Ausweg aus der aktuellen Schuldenkrise ab: „Jede Institution sollte ihrer Verantwortung nachkommen.“ In der Vergangenheit habe die EZB sehr klar gegen Euro-Bonds Stellung bezogen. „Es gibt dazu keine neue Position des EZB-Rates.“

Das Grundkapital der EZB beläuft sich derzeit auf 5,76 Milliarden Euro und soll angeblich auf 10,0 Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Bilanzsumme hatte sich wegen der vielen außergewöhnlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Krise auf knapp 140 Milliarden Euro erhöht.

Die nationalen Notenbanken stellen das Grundkapital der EZB zu 70 Prozent. Die restliche Summe verteilt sich auf EU-Länder, die nicht dem Währungsraum angehören. Die Höhe der Einlagen der nationalen Notenbanken an diesem Kapital ist abhängig vom Anteil der jeweiligen Länder an der Gesamtbevölkerung und am Bruttoinlandsprodukt der EU. Die Deutsche Bundesbank stellt knapp 19 Prozent des Grundkapitals.

Volkswirte beurteilten die Überlegungen zu einer Aufstockung des EZB-Grundkapitals skeptisch. Der Chefvolkswirt von Barclays Capital, Thorsten Polleit, sagte „Handelsblatt Online“, die nationalen Zentralbanken kämen ohnehin generell für etwaige Verluste auf: „So gesehen ist es nicht unbedingt notwendig, das Eigenkapital der EZB aufzustocken.“

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