Als die Kugel Eis noch zehn Pfennig kostete

Bei kaum einem anderen Lebensmittel empfinden Verbraucher die Preissteigerung so deutlich.

München. Früher kostete die Kugel Eis 20 Pfennig, heute in vielen Städten ein Euro oder mehr. Bei kaum einem anderen Nahrungsmittel spüren die Menschen in Deutschland die Preissteigerung so deutlich wie beim Eis. „Wucher“ schimpfen Verbraucher in Internetforen — und liefern die Preisentwicklung der vergangenen Jahre gleich mit.

„Die meisten wissen noch, was sie als Kind für eine Kugel Eis bezahlt haben“, sagt der Ökonom Alexander Koch von der Unicredit-Bank. Da das Eishörnchen beim Italiener an der Ecke heute wie vor 30 Jahren noch bar bezahlt wird, schmerzen diese Preiserhöhungen ganz besonders. „Gefühlte Inflation“ nennen die Experten den Effekt.

„Diese gefühlte Inflation ist bei Gütern des täglichen Bedarfs viel höher als bei monatlichen Abbuchungen wie der Stromrechnung — weil man sie ganz bewusst erlebt“, erklärt Inflationsexperte Koch. Er kann sich selbst noch an das „Zehnerl-Eis“ aus seiner Kindheit erinnern — zehn Pfennig für eine Kugel Eis. Da sich das Preisgefühl für viele Dinge in jungen Jahren bildet, bemerken die Verbraucher die Entwicklung im Laufe der Zeit immer stärker.

Für die italienischen Eishersteller sind die Diskussionen um den Eispreis ein großes Ärgernis. „Egal, wie der Preis gestaltet ist, er wird immer zu hoch sein“, kritisiert die Union der Italienischen Speisehersteller. „In Deutschland ist das Image des italienischen Speiseeises das eines einfachen Produkts, das für alle erschwinglich und somit unbedingt ,billig’ ist.“ Qualität habe aber ihren Preis — und in anderen Ländern sei das Eis viel teurer.

Von Schleuderpreisen sind aber auch die großen industriellen Hersteller wie Langnese oder Schöller weit entfernt. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, in dem große Hersteller zusammengeschlossen sind, verweist auf stetig steigende Kosten für die wichtigsten Rohstoffe bei der Eisproduktion: Milch und Zucker.

Das Eis besteht zu mehr als der Hälfte aus Milch und zu zehn bis 20 Prozent aus Zucker. Beide Rohstoffe seien in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden, sagt Geschäftsführer Ernst Kammerinke. „Dazu kommen die hohen Energiekosten.“ Trotzdem müssten die Verbraucher nur geringfügig mehr für ihr Eis bezahlen.

In teuren Städten wie München oder Düsseldorf hat der Eispreis die magische Grenze von einem Euro je Kugel in diesem Sommer bereits überschritten. Inflationsforscher Alexander Koch glaubt trotzdem nicht daran, dass die Kunden in diesem Jahr auf ihr geliebtes italienisches Eis verzichten.

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