Wende beim Thema Abgasmanipulationen? VW-Chef spricht sogar selbst von „Betrug“

Düsseldorf · Wie der Düsseldorfer Verbraucheranwalt Julius Reiter die Aussage von Herbert Diess in einer Talkshow rechtlich einordnet.

 Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess.

Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Hat VW-Chef Herbert Diess mit einem schon drei Wochen zurückliegenden und kaum thematisierten Talkshow-Auftritt im ZDF bei Markus Lanz die Position des von ihm gelenkten Konzerns bei den Zehntausenden Prozessen um die Schummelsoftware beschädigt? Rückblick: Nach einer Plauderei über Themen rund ums Auto kommt Moderator Lanz am 18. Juni auf den Abgasskandal zu sprechen. Und fragt Diess, ob er es für möglich gehalten hätte, dass die deutsche Autoindustrie „mal auf diesem Niveau manipuliert und,  ehrlich gesagt, betrügt“? „Nee, hätt’ ich nicht“, antwortet der Mann, der seit April 2018 die VW-Geschicke lenkt. Sie wussten auch nichts davon?“, hakt Lanz nach. „Nein“, antwortet Diess. Dann kommt der Interviewer darauf zu sprechen, dass VW schon in den 1970er Jahren in Kalifornien wegen Abgasbetrugs verurteilt worden sei. Woraufhin Diess antwortet, dass „die Abgasgesetzgebungen äußert komplex sind und dass da mal ne Fahrlässigkeit passiert oder ein Fehler, das geht quer durch die Industrie und das passiert immer wieder mal…“

Hier kommt Lanz zum Punkt: „Aber wie nennen Sie das, was da passiert ist?“ Die Antwort kommt ohne Zögern: „Das, was wir gemacht haben, war Betrug.“ Daraufhin zeigt sich selbst der Interviewer verblüfft, fragt noch mal nach: „Vorsätzlicher Betrug?“, was ja schon eine überflüssige Dopplung ist, denn im Betrug ist der Vorsatz begrifflich enthalten. Doch da scheint sich Diess plötzlich klar zu werden, was er angerichtet hat, dass er vielleicht etwas Falsches gesagt hat. Und starrt nur noch vor sich hin.

Der VW-Konzern versucht nach der Sendung, das Interview wieder einzufangen, spricht davon, dass der von Diess bei Lanz verwendete Begriff nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen sei. Und nichts an der rechtlichen Position von Volkswagen ändere. VW argumentiert in den Prozessen bekanntlich gern damit, dass man nicht illegal gehandelt habe und dass die Kunden doch weder Verluste noch Schäden erlitten hätten.

 Rechtsanwalt Julius Reiter.

Rechtsanwalt Julius Reiter.

Foto: Peter Kurz

Rechtsanwalt Julius Reiter: „Salz auf die offene Wunde von VW“

Diese Zeitung hat bei Julius Reiter nachgefragt, wie er die Aussage rechtlich einschätzt. Der Düsseldorfer Anwalt für Verbraucherrecht vertritt 3000 vom Abgasskandal betroffene Autofahrer. Für Reiter ist die Bekundung von Diess, es sei „Betrug“ gewesen,  „Salz auf die offene Wunde von VW“. Die Verwendung des Begriffs „Betrug“ zeige, dass es auch für VW auf der Hand liege, „dass die Dieselmanipulationen nicht nur schlicht rechtswidrig, sondern auch strafrechtlich relevant waren“. Reiters Schlussfolgerung: „Auch für den letzten Richter in Deutschland sollte nun klar sein, dass VW seine Kunden bewusst getäuscht hat.“

Für den äußeren Betrachter sei diese Aussage von Diess in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns „ganz klar als Schuldeingeständnis zu bewerten“, sagt Reiter. Diess falle es ihm Übrigen leichter, das Kind beim Namen zu nennen und eine klare Position zu beziehen, weil er als Vorstandsvorsitzender unbelastet sei. Denn er sei ja erst nach dem Abgasskandal zu VW gekommen. Reiter: „Es obliegt nun den Gerichten, die rechtlichen Folgen aus dem Betrug festzustellen. Im Ergebnis kann ein Urteil nur auf Schadensersatz zugunsten des geschädigten Dieselfahrers lauten.“

Bleibt die Frage, ob die Aussage von Diess am Ende noch weiter geht. Hat er wirklich nur versehentlich einen Betrug des VW-Konzerns zugegeben? Geht ein Profi wie Diess in eine Talkshow und verplappert sich? Oder war seine Aussage am Ende gar strategisch platziert,  um im Konzern den Kurswechsel für eine neue Unternehmenskultur zu beschleunigen?

Die Kanzlei von Julius Reiter unterstützt vom Diesel-Skandal Geschädigte: diesel24.de

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