"A1 Mobil" oder: Wie eine Autobahn vor die Wand fährt

Die drohende Pleite des Autobahnbetreibers „A1 Mobil“ hat einen alten Streit neu entfacht: Wie sinnvoll ist die private Finanzierung staatlicher Infrastrukturprojekte?

 Die Maut-Einnahmen sprudeln deutlich spärlicher als von allen Beteiligten kalkuliert. (Symbolbild)

Die Maut-Einnahmen sprudeln deutlich spärlicher als von allen Beteiligten kalkuliert. (Symbolbild)

Foto: dpa

Berlin. Die drohende Pleite des Autobahnbetreibers „A1 Mobil“ hat einen alten Streit neu entfacht: Wie sinnvoll ist die private Finanzierung staatlicher Infrastrukturprojekte? Überhaupt nicht, wettert die Opposition und fordert sogar ein Verbot der sogenannten Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) — und den Rücktritt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gleich noch mit. Doch taugt der Vorgang wirklich zum Skandal?

Klamme Kassen, große Aufgaben - ursprünglich war es reine Not, die die öffentliche Hand veranlasste, nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten für dringend gebotene Investitionen zu suchen. Im aktuellen Fall betreibt das Konsortium „A1 Mobil“ einen Abschnitt der Autobahn zwischen Hamburg und Bremen. Für den zwischen 2008 und 2012 erfolgten sechsspurigen Ausbau des gut 70 Kilometer langen Abschnitts erhält es laut Vertrag mit dem Bund Einnahmen aus der Lkw-Maut auf dieser Strecke. Nur fließen die deutlich spärlicher als von allen Beteiligten kalkuliert. Deshalb steht jetzt eine Klage des Konsortiums gegen den Bund auf Zahlung von 787 Millionen Euro im Raum. Geld, das am Steuerzahler hängen bleiben könnte

Kein Einzelfall. Schon 2014 hatte der Bundesrechnungshof festgestellt, dass fünf von sechs der bereits damals vergebenen ÖPP-Projekte im Autobahnbereich um insgesamt 1,9 Milliarden Euro teurer geworden seien als bei einer konventionellen Realisierung. Das vernichtende Fazit der Experten seinerzeit in ihrem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages: „Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind“.

Ein zentrales Argument der ÖPP-Gegner ist die Tatsache, dass der Staat Kredite für große Bauprojekte zu deutlich billigeren Konditionen bekommt als die Wirtschaft. Nach Einschätzung von Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), spielen aber auch noch andere Aspekte eine Rolle: „Die Frage ist doch vor allem, wer ein Projekt effizienter, kostengünstiger herstellen, betreiben und erhalten kann. Und wer kann mit den Risiken am besten umgehen, auch im Interesse des Steuerzahlers“.

Fratzscher war auch Leiter einer Expertenkommission, die sich im Auftrag der Bundesregierung mit der künftigen Finanzierung der Infrastruktur beschäftigt hatte. Eine ihrer Empfehlungen lautete, ÖPP nicht vornherein zu verteufeln. „In Nürnberg zum Beispiel wurden Schulen über ein solches Modell saniert. Das hat der Stadt Geld gespart“, sagt Fratzscher.

Überhaupt werde mehr als die Hälfte der öffentlichen Investitionen von den Städten und Gemeinden getätigt, auch unter privater Beteiligung. „Denn viele Kommunen haben gar nicht die Expertise und die Kapazitäten, um komplexe Projekte zu verwirklichen.“, so der DIW-Chef. Das Problem sei allerdings, dass niemand verlässlich sagen könne, wieviel Geld genau man hätte sparen können, wenn eine andere Finanzierungsalternative zum Zuge gekommen wäre, meint Fratzscher.

Das dürfte auch im aktuellen Fall „A1 Mobil“ zutreffen. Am Ende könnte sich herausstellen, dass der Staat mit dem privaten Investor schlecht verhandelt hat. Aber es ist kein Skandal, wenn ein privater Investor aufgrund geschönter Kalkulationen pleitegeht. Hätte der Staat allein gehandelt und das Maut-Aufkommen ebenfalls überschätzt, wäre der Schaden von vornherein beim Steuerzahler gelandet. Die öffentliche Hand ist jedenfalls nicht automatisch der bessere Unternehmer. Am Pannenflughafen BER in Berlin-Schönefeld lässt sich das schon seit Jahren auf erschreckende Weise studieren.

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