21 Jahre Einheit: Kluft zwischen Ost und West noch groß

Berlin/Düsseldorf (dpa) - Zum Tag der Deutschen Einheit haben Wirtschaftsexperten auf die weiterhin große Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland hingewiesen.

Aus Sicht von ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist Ostdeutschland 21 Jahre nach der Wiedervereinigung in seiner wirtschaftlichen Entwicklung unter den Erwartungen geblieben. Beim Tarifniveau hat der Osten nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zwar aufgeholt. Bei den vielen Beschäftigten in Ostdeutschland aber, die nicht nach Tarif bezahlt werden, gibt es weiterhin große Einkommensunterschiede.

Sinn schrieb in einem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe der „Wirtschaftswoche“, trotz Transferleistungen von bis zu zwei Billionen Euro von West nach Ost hätten die neuen Länder von 1995 bis 2010 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent im Jahr erreicht, 0,1 Punkte weniger als die alten Länder. „Die ostdeutschen Städte sind prächtig renoviert und strahlen in altem Glanze. Nur das Wirtschaftswachstum lässt noch immer zu wünschen übrig.“

Der Aufholprozess von Ostdeutschland vollziehe sich im „Schneckentempo“. Offiziell sei das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt zwar auf 68 Prozent des Westniveaus gestiegen. Doch nach seinen Berechnungen stagniere der Wert seit 1995 bei 60 Prozent, schließlich müsste der Bevölkerungsschwund von 1,3 Millionen Menschen im Osten und der Zuwachs im Westen besonders berücksichtigt werden, schrieb Sinn.

Die Unterschiede spüren die Ostdeutschen auch direkt in der Lohntüte: Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stifung in Düsseldorf ist das Lohngefälle in Deutschland weiterhin groß. Die Bruttolöhne im Osten lägen im Schnitt 17 Prozent unter dem Verdienst im Westen.

Zwar lagen die tariflichen Grundvergütungen im Osten nach den aktuell vorliegenden Daten aus dem Jahr 2010 bei rund 96 Prozent des Westniveaus, 1991 hatte das Verhältnis noch bei 60 Prozent gelegen. Doch in der ehemaligen DDR werde deutlich weniger nach Tarif bezahlt als in den alten Ländern, erläuterte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Reinhard Bispinck. In Ostdeutschland fehle die „Tarifkultur“, die im Westen über Jahrzehnte gewachsen sei.

Positiv bewertete Sinn die Produktivität in der ostdeutschen Industrie: Sie habe sich in den neuen Ländern deutlich verbessert. In punkto Wertschöpfung lägen die Ost-Bundesländer in diesem Bereich vor dem Durchschnittswert von Frankreich oder Großbritannien.

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