Jamaikanische Rollenspiele : Zwischen Pöblern und Brückenbauern
Berlin (dpa) - Es ist fast täglich das gleiche Spiel: Während die einen Jamaika-Unterhändler mit sanften Tönen Gemeinsamkeit betonen, setzen andere auf Dauernörgeln oder lautes Poltern.
Während nach drei Sondierungswochen noch immer viele Positionen für eine mögliche schwarz-gelb-grüne Koalition ungeklärt sind, scheinen zumindest die Rollen unter den Verhandlern auf allen Seiten geklärt: Alexander Dobrindt (CSU), Jürgen Trittin (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) dürften die kreativsten Dazwischengrätscher sein.
Wer glaubt, die Streithähne handelten auf eigene Rechnung oder würden gar gegen den Willen ihrer Parteichefs agieren, der irrt. Vielmehr erfüllen die Sondierungskritiker für ihre jeweilige Seite gleich mehrere wichtige Funktionen - nach innen und nach außen. Zum einen sollen die Streitereien den eigenen Parteimitgliedern das Gefühl vermitteln, jeder Kompromiss bei diesem angepeilten Pflichtbündnis sei hart erarbeitet oder besser gesagt erkämpft.
Außerdem sollen die Verbalattacken helfen, die Parteien inhaltlich voneinander abzugrenzen. Denn nicht wenige fürchten infolge der „Jeder-kann-heute-mit-jedem“-Sondierung eine neue profillose Beliebigkeit. Zudem sollen die Kampfansagen den anderen Verhandlern am Tisch die Grenzen aufzeigen - im Politik-Jargon auch rote Linien genannt. Und zu guter Letzt schützen die Akteure damit auch ihre Parteichefs.
CSU: Für die fünf Sondierer der Christsozialen ergeben sich somit folgende Rollen: Parteichef Horst Seehofer ist als Teamkapitän zur Zurückhaltung gezwungen und muss eher Brücken bauen, Kompromisse anregen. Ihm zur Seite stehen aber mit Dobrindt und Generalsekretär Andreas Scheuer zwei Männer, die - wie so mancher Abwehrspieler im Fußball - jederzeit zur Blutgrätsche bereit sind. Komplettiert wird die Mannschaft durch die beiden Arbeiter Joachim Herrmann und Thomas Kreuzer. Am Rande: Berichte, wonach es zwischen Seehofer und Dobrindt einen Dissens geben solle, bezeichnet ein Parteisprecher als „Schmarrn“.
FDP: Wolfgang Kubicki hat immer einen lockeren Spruch drauf und provoziert gerne. „In meiner eigenen Bescheidenheit sage ich: Wir können alles, ich kann auch Kanzler“ - und Finanzminister sowieso. Dass der FDP-Vize kein Blatt vor den Mund nimmt, bekommen vor allem die Grünen zu spüren. Eines der größten Probleme in den Jamaika-Gesprächen bestehe darin, „dass viele Grüne dazu neigen, Diskussionen nicht rational zu führen, sondern moralisch“, sagt er.