Zitterpartie auf Zypern

Berlin/Brüssel/Athen (dpa) - Eine Staatspleite Zyperns schon im Mai ist abgewendet - allerdings um den Preis eines drohenden Ansturms Zehntausender auf die Banken des Mittelmeerstaates.

Alle Kontobesitzer zusammen müssen etwa 5,8 Milliarden Euro quasi über Nacht zwangsweise von ihren Einlagen an den Staat abtreten - die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Höhe des Kontostandes. Die Zwangsabgabe löste auf Zypern große Entrüstung aus, weil viele Kleinsparer betroffen sind. Eine Mehrheit im Parlament für das Rettungspaket ist unsicher. Die nötige Abstimmung wurde von Sonntag auf Montag verschoben.

Zypern will die umstrittenen Bedingungen für das milliardenschwere EU-Rettungspaket nachverhandeln. Man werde versuchen, die vorgesehene Abgabe auf Bankeinlagen zugunsten von Kleinsparern kurzfristig zu verändern, erklärte Präsident Nikos Anastasiades am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Gleichzeitig drängte er das zyprische Parlament, das Hilfspaket am Montag zu billigen. Dieses sei unverzichtbar, um das Land vor der Pleite zu retten.

Bis zu zehn Milliarden Euro Hilfe kommen von den europäischen Partner, die später verzinst zurückgezahlt werden müssen. Im Deutschen Bundestag, der dem Paket billigen muss, kündigten SPD, Grüne und FDP an, nur unter Bedingungen zuzustimmen.

Schätzungsweise ein Drittel der Einlagen bei Banken auf Zypern besitzen Ausländer, unter ihnen viele reiche Russen und Briten. Zypern steht im Ruf, ein sicherer Hafen für Schwarzgeld zu sein und wenig gegen Geldwäsche zu unternehmen.

Zahlreiche Menschen versuchten schon am Samstagmorgen kurz nach Bekanntwerden der Beschlüsse der Euro-Finanzminister in Brüssel, ihr Konto leerzuräumen. Ohnmächtig mussten sie sich in den wenigen überhaupt geöffneten Banken des Landes erklären lassen, dass das elektronische Zahlungssystem quasi stillstehe. Da an diesem Montag Feiertag auf Zypern ist, werden die Kreditinstitute frühestens Dienstag wieder öffnen, wenn bis dahin das Parlament des Landes die Zwangsabgabe gesetzlich festgeschrieben hat.

Im Kern sieht die Regelung vor, dass ausnahmslos 6,75 Prozent auf Guthaben bis 100 000 Euro und 9,9 Prozent auf höhere Beträge einkassiert werden: Das soll sich auf einen Betrag von 5,8 Milliarden Euro summieren. Zypern ist nach Griechenland, Portugal und Irland das vierte Land, das ein Programm aus dem europäischen Rettungsschirm bekommt. Spanien erhält Milliardenhilfen nur für seine maroden Banken. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hilft - der Umfang ist noch offen. Obwohl das Land nur 0,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn: „Zypern ist systemrelevant für die Eurozone.“ Eine Staatspleite könnte die gesamte Eurozone gefährden.

Unsicher ist, ob es dafür im Parlament die nötige Mehrheit gibt. Der erst am 28. Februar ins Amt gewählte konservative Präsident Anastasiades kann sich nur auf eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus stützen. Die beiden Mitte-Rechts-Parteien DISY, aus deren Reihen Anastasiades kommt, und DIKO haben nur 28 von 56 Sitzen. Unsicher ist, ob die acht DIKO-Abgeordneten für das Gesetz stimmen.

Anstasiades verteidigte die Brüsseler Entscheidung und erklärte, das Land habe nur diese Alternative gehabt: Zusammenbruch des Bankensystems mit einem ungeordneten Staatsbankrott oder „das Szenario eines schmerzhaften, aber kontrollierten Managements der Krise“. Nur mit dem in Brüssel geschnürten Paket sei es möglich, dass Banken überlebten, 8000 Arbeitsplätze gesichert und der Schuldenstand Zyperns auf ein tragfähiges Niveau gebracht würden. Am Montagmorgen will das Kabinett zu einer weiteren Krisensitzung zusammenkommen, dann sind Beratungen aller Parteien geplant. Im Rundfunk des Landes hieß es, die Regierung werde die Banken notfalls länger schließen, sollte es im Parlament keine Entscheidung geben.

Wie die Nachrichtenagentur dpa aus dem Finanzministerium Zyperns erfuhr, soll es in der Nacht in Brüssel zu dramatischen Szenen gekommen sein. Mindestens drei Mal soll die zyprische Delegation kurz davor gewesen sein, abzureisen.

In sehr hart geführten Verhandlungen hatten die Euro-Finanzminister neun Monate nach dem Hilfsantrag der zyprischen Regierung einen Kompromiss gefunden. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte: „Wir haben die Lastenverteilung sehr sorgfältig geprüft. Wir bestrafen Zypern nicht.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Einigung. „Damit werden (...) die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen und nicht nur die Steuerzahler anderer Länder“, sagte sie bei einem Parteitreffen in Mecklenburg-Vorpommern. „Es ist ein guter Schritt, der uns eine Zustimmung zu einer Hilfe für Zypern sicherlich leichter macht.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich zufrieden: „Wir haben nach langen und harten Verhandlungen einen Weg gefunden, Zypern zu helfen, ohne dabei die Zukunft des Landes zu verpfänden.“ In der zweiten Aprilhälfte könne dem Bundestag das Hilfsprogramm mit allen Details zur Abstimmung vorgelegt werden.

In den ARD-„Tagesthemen“ sagte Schäuble am Sonntagabend: „Die zyprische Regierung, auch die Europäische Kommission und die EZB, die haben sich für diese Lösung entschieden, und das müssen sie nun dem zyprischen Volk auch erklären.“ Es gebe neben Zypern „kein Land, in dem der Bankensektor im Verhältnis zum Volkseinkommen, zur gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft in einem solchen Maße zu groß geworden ist“. Er fügte hinzu: „Wenn Banken insolvent werden, dann können nicht die Steuerzahler das Risiko übernehmen, das müssen dann schon diejenigen, die in guten Zeiten mit Banken und mit Geldanlagen Geld verdienen.“

Neben den Vorbehalten aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP kündigte die Linksfraktion ein Nein im Bundestag an. Aus der Unionsfraktion hieß es am Sonntag, es sei dennoch davon auszugehen, dass die Regierung die nötige Mehrheit zusammenbekomme. Der Bundestag wird voraussichtlich schon am Donnerstag eine erste Grundsatzentscheidung über die Hilfen treffen. Schäuble informierte die Haushaltsexperten der Fraktionen am Samstag.

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