Vorbild für Deutschland? Abstimmung über Asylreform

Bern (dpa) - Die Schweiz setzt immer wieder Maßstäbe: Mit dem Bau des längsten Eisenbahntunnels der Welt. Mit der international wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaft. Und nun wohl auch mit einem reformierten Asylgesetz, das sich als Modell für ganz Europa erweisen könnte.

Vorbild für Deutschland? Abstimmung über Asylreform
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Heute wird darüber abgestimmt. Doch ausgerechnet die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP), die sonst stets für Asylrechts-Verschärfungen zu haben ist, hat die Eidgenossen aufgerufen, mit „Nein“ zu stimmen.

Was soll mit der Asylgesetzrevision erreicht werden?

Die Prüfverfahren sollen beschleunigt werden, so dass begründete Asylanträge eher bestätigt und unbegründete rascher abgelehnt werden. Davon erhofft sich die Schweizer Regierung eine Senkung der Verwaltungs- und Sozialkosten und zugleich eine präventive Wirkung: Wer vor allem wirtschaftliche Gründe hat, soll gar nicht erst kommen.

Wie will man das schaffen?

In erster Linie durch die Konzentration von Asylverfahren auf neue Bundeszentren. Dort sollen alle Beteiligten - Vertreter der Behörden, Rechtsberater und Dolmetscher - ihre Tätigkeit koordinieren. Abläufe sollen getaktet, Leer- und Wartezeiten reduziert werden. Hinzu kommt, dass allen Antragstellern von vornherein Anwälte zur Verfügung stehen, die für sie kostenlos sind. Dadurch sollen Flüchtlinge ohne Schutzanspruch das Land innerhalb von höchstens 140 Tagen verlassen.

Kann das funktionieren?

In Zürich läuft sein 2014 ein Pilotverfahren. Experten haben es auf juristische und betriebswirtschaftliche Tauglichkeit geprüft und festgestellt: Einfache Asylverfahren konnten um fast 40 Prozent schneller abgeschlossen werden. Selbst bei schwierigen Fällen dauerten sie im Schnitt noch 46 statt wie vorher 173 Tage.

Fällt dabei das Recht auf Beschwerde gegen Asylentscheide weg?

Nein. Die Frist zur Einreichung einer Beschwerde ist allerdings verkürzt worden - von 30 auf 10 Tage. Das wird damit gerechtfertigt, dass Asylsuchende bei dem neuen Modell von Anfang an Rechtsberatung erhalten und nicht erst, nachdem sie Einspruch gegen eine Ablehnung erhoben haben.

Was ist der Vorteil?

Flüchtlinge können so rascher erkennen, welche Aussichten auf Erfolg ein Asylantrag oder eine Beschwerde hätte. Wer dem Vorhaben dann kaum noch Chancen einräume, willige früher in eine Rückreise oder Abschiebung ein, erklären Gutachter.

Was kostet das neue Verfahren?

Die Regierung geht von (umgerechnet) rund einer halben Milliarde Euro für Bau und Einrichtung der neuen Bundes-Asylzentren aus sowie von höheren Ausgaben als bisher für die Rechtsberatung. Dem stünden Nettoeinsparungen durch geringere Sozial- oder Nothilfeaufwendungen von jährlich etwa 100 Millionen Euro gegenüber. Im Pilotbetrieb musste an weniger abgewiesene Asylbewerber Nothilfe gezahlt werden, zudem waren die Bezugszeiten bis zur Ausreise kürzer - im Schnitt 35 Tage gegenüber 94 Tagen im bisherigen Verfahren.

Warum will die SVP die Ablehnung des neuen Gesetzes?

Sie argumentiert, „Gratis-Anwälte“ auf Steuerzahlerkosten würden nicht zur Reduzierung von Asylanträgen führen, sondern eher noch mehr Flüchtlinge in die Schweiz locken. Das sei eine „verantwortungslose Willkommenskultur“. Zudem bemängelt die Partei, dass mit dem Gesetz Enteignungen von Grundstücken für die geplanten Bundeszentren ermöglicht werden, wenn sich Bund, Kantone, Gemeinden und Privatbesitzer nicht auf einen freiwilligen Verkauf verständigen.

Wie sind die Reaktionen im Ausland?

Oft positiv. So hat die Bertelsmann-Stiftung die Schweizer Asylreform untersucht und erklärt, auch Deutschland könne davon lernen: „Die Kategorisierung der Asylgesuche, eine klare Verfahrensstruktur mit Zeitvorgaben und Beschleunigung der einfachen Verfahren, die Verbesserung der Qualität durch Rechtsbeistände sowie die Entlastung der Gemeinden durch die Bundeszentren haben Vorbildcharakter.“

Wie wird das Referendum ausgehen?

Umfragen deuten auf die Annahme der Asylreform. Laut der renommierten Gesellschaft gfs.bern wollen etwa 60 Prozent dafür stimmen, 11 Prozent seien unschlüssig.

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