Grenzschließungen Visegrad Staaten beraten über Schließung der Balkanroute

Prag/Budapest (dpa) - Während Deutschland in der Flüchtlingskrise auf die Türkei setzt, würden andere die Grenzen am liebsten vor den Toren Griechenlands dichtmachen - in Mazedonien. Für eine solche Lösung spricht sich am deutlichsten die mitteleuropäische Visegrad-Gruppe aus.

Grenzschließungen: Visegrad Staaten beraten über Schließung der Balkanroute
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Tschechien, die Slowakei und Ungarn haben eigene Polizisten in den Balkanstaat geschickt, um Flüchtlinge abzuhalten. Der Vierte im Bunde, die neue polnische Regierung, will demnächst nachziehen.

Wenn sich die Regierungschefs der vier Länder am Montag in Prag mit dem mazedonischen Präsidenten Djordje Ivanov treffen, dann hat das eine starke Signalwirkung. Auf dem Jubiläumsgipfel soll nicht nur das 25-jährige Bestehen der Visegrad-Gruppe gefeiert werden. Es geht den mal mehr, mal weniger lautstarken Kritikern der deutschen „Willkommenskultur“ auch darum, sich vor dem EU-Gipfel in Brüssel abzusprechen. Denn im Frühling erwarten sie eine neue Welle von Schutzsuchenden auf der sogenannten Balkanroute. Griechenland trauen sie offenbar nicht zu, die Grenze zu sichern.

Am vehementesten tritt der ungarische Regierungschef Viktor Orban auf. Griechenland sei „unfähig“, die EU-Außengrenze zu schützen. „Wir brauchen eine neue Verteidigungslinie“, erklärt Orban immer wieder, als ob Europa in einem unerklärten Schießkrieg mit häufig kriegsvertriebenen Flüchtlingen stünde. „Wir brauchen einen Zaun an den Nordgrenzen Griechenlands, um den Migrantenstrom zu bremsen“, meinte er etwa im Vormonat.

Sein eigenes Land hat der rechtskonservative Regierungschef durch Zäune und Sperren an den Grenzen zu Serbien und Kroatien gegen Flüchtlinge abgeschottet. Freilich: Deshalb kommt nicht ein Flüchtling weniger in der Mitte Europas an. Die Menschen ziehen einfach an Ungarn vorbei, durch Kroatien und Slowenien.

Orban tut sich auch als schärfster Kritiker der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor. Die von Orbans Leuten kontrollierten Medien schütten Spott und Häme über den relativ menschlichen Umgang Deutschlands mit den Flüchtlingen. Auf der Fraktionsklausur seiner Fidesz-Partei versprach Orban am Mittwoch, einen angeblichen „deutsch-türkischen Geheimpakt“ bekämpfen zu wollen. Dieser würde die „zwangsweise“ Verteilung von 500 000 Flüchtlingen aus der Türkei über ganz Europa vorsehen. Ein solcher „Geheimpakt“ existiert freilich nicht.

Der tschechische Innenminister Milan Chovanec drohte derweil damit, den Anteil seines Landes an den zugesagten drei Milliarden Euro für die Türkei zurückzuhalten. Doch während Prag den Gesprächsfaden mit Berlin nicht ganz abreißen lassen will, bildet sich zwischen Warschau und Budapest eine neue Achse der Asylverweigerer. Seit dem Wahlsieg der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski im Vorjahr in Polen herrscht zwischen den Regierungen in der Ablehnung von Flüchtlingen eine neue Einigkeit.

Polen betont zwar, rechtlich an die Zusagen der Vorgänger gebunden zu sein und wie versprochen 7500 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Aber besondere Eile lässt das Land dabei nicht erkennen.

Die Gründe für die Abwehrhaltung der mitteleuropäischen Staaten sind schwer zu fassen. Da ist das Gefühl, nicht zum Wohlstandseuropa zu gehören, auch wenn Städte wie Prag längst zu Europas reichsten Regionen zählen. In der erzkatholischen Slowakei spielt Ministerpräsident Robert Fico vor der Parlamentswahl in drei Wochen mit der Angstkarte. „Ob es gefällt oder nicht, wird 2016 das Jahr sein, in dem die EU entweder der Migrationskrise Herr wird oder kollabiert“, schrieb er in einem Zeitungsbeitrag. In Polen wird nach den Kölner Vorfällen in der Silvesternacht mit der Angst vor Übergriffen Stimmung gemacht.

Der ungarische Ex-Außenminister und Politologe Peter Balazs meint, dass Orban, Kaczynski und Fico die Flüchtlingsfrage für innenpolitische Zwecke instrumentalisieren. „Sie beteiligen sich nicht an den Versuchen einer gemeinsamen Lösung in der EU, sondern betrachten das Flüchtlingsproblem als Propaganda-Material, das ihnen Munition für ihre jeweilige Innenpolitik liefert.“

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