Türkei, Terror, Thailand: Krisenzentrum für Touristen

Hannover (dpa) - Ulrich Heuer hatte von Donnerstag auf Freitag nur wenig Schlaf. „Ich bin gegen 20.45 Uhr von unserer Notfallzentrale mit den Worten alarmiert worden: In Thailand sind zwei Bomben explodiert“, sagt der 58-Jährige. Heuer leitet das Krisenzentrum der Tui Deutschland.

Türkei, Terror, Thailand: Krisenzentrum für Touristen
Foto: dpa

Das Krisenzentrum ist auch für Urlauber des weltgrößten Reisekonzerns aus Kundenländern wie Österreich, der Schweiz und Polen zuständig ist. Die Serie von Bombenexplosionen in thailändischen Touristenorten brachte am Freitag die gut geölte Maschinerie in Heuers Krisenstab in Schwung. Sprengsätze detonierten unter anderem im Badeort Hua Hin und der Touristenhochburg Patong auf der Insel Phuket.

Über einen Monitor mit einer Weltkarte ließ er zunächst klären, wie viele Tui-Gäste sich im Zielgebiet aufhalten und gab die Weisung an die Reiseleiter vor Ort 'raus: „Erkundigt euch, ob die 2000 Gäste alle wohlauf sind.“ In der Nacht klingelte das Handy mehrmals - es gab weitere Berichte über Explosionen. Heuer: „Wir haben dann früh am Morgen den Krisenstab alarmiert, unseren hausinternen Krisenraum hochgefahren, die Lage analysiert und den Entscheidungsbedarf beraten.“ Die ersten Urlauber-Anfragen gingen da schon ein. Da bei der unübersichtlichen Lage aufgrund der aktuellen Einschätzung des Auswärtigen Amtes weitere Anschläge nicht auszuschließen waren, gab es die Anweisung: Wer will, kann bis Montag gebührenfrei stornieren.

Zuletzt war das Lagezentrum beim gescheiterten Putschversuch in der Türkei zur Höchstform aufgelaufen. Der ansonsten leere Lageraum füllte sich, alle Informationskanäle glühten. Das eingespielte Team holte Informationen über Agenturmeldungen, das Auswärtige Amt und vor allem auch seine Mitarbeiter vor Ort ein. Per Mausklick war den Krisenmanagern aufgrund der eingegangenen Informationen sofort klar, dass die Zahl der betroffenen Urlauber überschaubar war: Das Geschehen konzentrierte sich auf die zwei Städte Istanbul und Ankara.

Dennoch: Die Lage galt als kritisch und wurde permanent genau beobachtet und analysiert, um Urlaubern und Veranstaltern konkrete Empfehlungen geben zu können. Auf 250 bis 300 beobachtenswerte Ereignisse kommt Heuer weltweit pro Jahr. Dennoch sagt er: „Erstaunlicherweise ist die Zahl der jährlichen Krisen konstant geblieben, auch wenn das Thema Terror deutlich zugenommen hat.“

Die dadurch entstandene stärkere Bedrohung betrifft mittlerweile den Lebensalltag der Urlauber und hat auch Auswirkungen auf ihr Reiseverhalten. Terroranschläge in Europa, Brexit, Krisen in der Türkei oder Nordafrika: immer mehr Airlines oder Reiseunternehmen schauen mit Sorge auf ihre Gewinnprognosen. Die allgemeine Verunsicherung macht Beratung immer wichtiger. „Alle spüren das“, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen ReiseVerband (DRV) in Berlin.

Das gilt gerade auch in Krisenzeiten. Vom Wirbelsturm bis zum Beben, vom Streik bis zur Überschwemmung: Die großen Reisekonzerne müssen heute mehr vorhalten als nur die Buchung von Unterkünften und Flügen. Krisenstäbe wie der von Marktführer Tui müssen innerhalb kürzester Zeit einsatzfähig sein und notfalls auch ohne Genehmigung der Geschäftsführung eine Rettungsmaschinerie in Gang setzen.

„Die Großen der Branche, von Tui bis Thomas Cook, halten heute ein Global Monitoring-System vor“, so Schäfer. „Die Welt wird damit im Sekundentakt darauf durchforstet, wo gerade etwas passiert.“ Es geht vor allem um Aufklärung, um Information, Betreuung und logistische Hilfe. Auch Griechenlands Euro-Krise gehörte dazu, als es für viele Urlauber vor allem um ganz praktische Fragen ging. Der DRV sieht sich dabei als zentraler Ansprechpartner und Schnittstelle der Branche.

In einer repräsentativen GfK-Umfrage gaben 29 Prozent der Befragten gerade an, dass Terror- und Reisewarnungen ihr Reiseverhalten beeinflussen. Tui-Krisenmanager Heuer: „In den Reisebüros wird immer öfter die Frage gestellt: Was ist eigentlich, wenn was passiert?“ Über die Social Media Kanäle gehen spätestens seit dem Arabischen Frühling Informationen in Sekundenbruchteilen um den Globus - so wie vor wenigen Tagen bei einer Bruchlandung auf dem Flughafen von Dubai.

Das Mitte der 90er Jahre aufgebaute Tui-Krisenzentrum bezog im Vorjahr seine neuen Räumlichkeiten in der Zentrale. An der Längsseite des 220 Quadratmeter großen Lagezentrums werden bei Krisen an einer Tafel die Handlungsfelder aufgelistet. Kleinere Teams kümmern sich zudem um die mögliche Entsendung von ehrenamtlichen Betreuern. Kooperation ist Trumpf - mit Einsatzstäben im Auswärtigen Amt, aber auch der Konkurrenz. „Man informiert sich gegenseitig“, sagt Heuer. Warum? „Wenn ein Veranstalter die Situation nicht im Griff hat, dann kann das auf die gesamte Branche zurückstrahlen.“

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