Präsident auf dünnem Eis Trump und die Hinterbliebenen: Von Anrufen und Unwahrheiten

Washington (dpa) - Es begann als klassischer Trump. Eine spontane Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. In wärmender Herbstsonne spreizte der US-Präsident 45 Minuten lang sein Gefieder, ließ sich zu diesem ein und zu jenem, prahlte und gefiel sich.

Präsident auf dünnem Eis: Trump und die Hinterbliebenen: Von Anrufen und Unwahrheiten
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Was sich dann über Tage zu einem politischen Problem auswachsen sollte, ließ Trump im Trudeln der Gedanken eher nebenbei fallen: Seine Amtsvorgänger hätten sich ja nie oder nur selten bei Hinterbliebenen von Gefallenen gemeldet! Anders als, natürlich, Donald Trump. Es war dann rasch der Teufel los.

Wie ist Trump mit Hinterbliebenen Gefallener umgegangen? Er behauptet, er habe sie angerufen, alle, immer. Über Tage meldeten sich dann immer mehr Mütter, Väter und Witwen in US-Medien, die sagten: Stimmt nicht. Das ist gelogen. Trump hat sich nie gemeldet. Whitney Hunter sagt bei CNN, als ihr Mann gefallen sei, habe sie von vielen gehört, aber sicher nicht vom Präsidenten.

Das Thema hat in den USA Nordkorea von Platz eins verdrängt, den Iran-Deal ebenso, sogar den erbitterten Streit um „Obamacare“, und das will wirklich etwas heißen. Die gesellschaftliche Stellung der Soldaten ist in Amerika eine ganz besondere, völlig anders als zum Beispiel in Deutschland. Hier verschmelzen Patriotismus, Geschichte, Respekt, Dankbarkeit und Stolz auch mit einer Liebe zu Stärke und Zeremonie. Wildfremde danken auf offener Straße Uniformierten: „Thank you for your service“, Danke für Ihren Dienst.

Man kann in Amerika offen als Nazi herumlaufen, sich mit Megafon und großem Kreuz predigend an den Las Vegas Boulevard stellen oder auch sonst so ziemlich alles sagen, was man will, aber mit dem Militär treibt man keine Scherze. Auch Erzliberale und Altlinke achten Soldaten. Gefallene werden bedingungslos geehrt. Angehörige des Militärs erhalten Rabatte und werden bevorzugt behandelt, am Flughafen gehören sie zu den ersten, die einsteigen dürfen.

Auch das erklärt, auf welches dünne Eis sich der Commander in Chief mit seinem laxen Gerede begeben hat. „Gold Star Families“, die Familien Gefallener, sind in den USA nahezu sakrosankt.

Wieder einmal hatte Trump seinen Vorwurf unmittelbar an Barack Obama gerichtet, seinen großen Antipoden. Es dauerte nur Minuten, bis sich dessen einstiger Stab wehrte: Sehr wohl habe sich Obama bei Gefallenen gemeldet, er habe geschrieben, angerufen, sei bei ihnen gewesen. Es gibt davon unter anderem TV-Bilder. Alyssa Mastromonaco, damals in Obamas Stab, attestierte Trump auf Twitter eine „fucking lie“, eine verdammte Lüge.

Die Reaktionen aus Politik, Sport und Gesellschaft waren heftig. Trump wehrte sich und stritt ab, bemühte sogar den gefallenen Sohn seines heutigen Stabschefs John Kelly als angeblichen Beleg seines Vorwurfs an Obama, obwohl der Ex-General mit seinem Verlust sehr diskret umzugehen versucht. Sprecherin Sarah Sanders machte, natürlich, die Medien verantwortlich: Die hätten wieder einmal alles unverhältnismäßig aufgeblasen und die Sache „politisiert“. Dabei machte Trump auch diesen Fehler ohne Not und ganz alleine.

Die „Washington Post“ hat 13 Familien von Soldaten erreicht, die seit Trumps Amtsantritt im Einsatz getötet wurden. Von ihnen wurde die eine Hälfte von Trump angerufen, die andere Hälfte hat nie etwas gehört. Trump hatte gesagt: „Meine Haltung ist, sie alle anzurufen.“ Es seien die härtesten Anrufe überhaupt.

Die Geschichte begann mit einem einfachen sachlichen Kern. Im Niger wurden am 4. Oktober vier US-Soldaten bei einem Einsatz getötet. Trump wurde im Rosengarten gefragt, das sei ja nun zwölf Tage her, ob er sich mittlerweile bei den Hinterbliebenen gemeldet habe? Trump wich aus, er werde das zu gegebener Zeit tun - und griff dann seine Vorgänger an. Das ist sein Muster. Fehler werden nicht zugegeben. Es sind immer die anderen.

Dabei berichtete „Politico“, Trumps Stab habe ihm sofort eine Stellungnahme zum Niger vorbereitet. Trump habe sie aber nie verwendet. Warum nicht, ist sein Geheimnis. Das Ganze führt nun auch dazu, dass die Umstände dieses US-Einsatzes im Niger sehr genau hinterfragt werden. Es scheint Ungereimtheiten zu geben.

Angeblich hat Trump am Dienstag nach seiner Pressekonferenz die Witwe von David T. Johnson angerufen, Witwe eines der im Niger getöteten Soldaten. Die Abgeordnete Frederica S. Wilson sagt, sie sei im Wagen der Witwe Myeshia gewesen und Trump auf dem Lautsprecher des Telefons. Der Präsident habe gesagt, Johnson habe ja gewusst, worauf er sich dort eingelassen habe - aber er vermute, es schmerze gleichwohl. Ob das so stimmt, weiß man nicht. Trump widersprach sofort und vehement, ebenso einer weiteren Zeugin, das sei alles eine glatte Erfindung.

Mitte der Woche deckte die „Washington Post“ dann dieses auf. Wenige Wochen nach dem Tod seines 22-Jährigen Sohnes Dillon in Afghanistan habe Trump ihn angerufen, sagte Chris Baldridge dem Blatt. Er habe dem Präsidenten erzählt, wie enttäuscht er von den Hinterbliebenenzahlungen des Militärs sei. Trump habe daraufhin einen Scheck über 25 000 US-Dollar aus eigener Tasche angeboten. Das ist schon für sich genommen bemerkenswert. Baldridge sagte, er habe das Geld nie bekommen. Das Weiße Haus sagte nun, der Scheck sei versandt. Am Mittwoch, nach der Aufdeckung der „Washington Post“.

Für Trump ist das alles ziemlich unangenehm. Mehr aber erstmal nicht. An fest besetzten Lagern von Anhängern und Gegnern des Präsidenten werden auch neue belegte Unwahrheiten nichts ändern - so wenig wie am Unverständnis über sein Verhalten.

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