US-Präsidentschaftskandidat Trump gegen den Rest

St. Louis (dpa) - Nein, über das Video will er nicht reden, das sieht man ihm an. Die TV-Debatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton hat gerade begonnen, da kommt die erste Frage zu den Aufnahmen, in denen Trump sich auf verächtliche Weise über Frauen äußert.

US-Präsidentschaftskandidat: Trump gegen den Rest
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Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner wiederholt, dass er sich bei seiner Familie entschuldigt habe. Er sagt, dass es sich bei den Äußerungen um Geschwätz handele, wie es zwischen Männern in einer Umkleidekabine falle. Er erklärt: „Niemand respektiert Frauen mehr als ich.“ Dann redet er über die Terroristen des Islamischen Staates.

Clinton muss einfach nur dastehen. Trumps Antworten sprechen für sich.

Aber das zweite TV-Duell der beiden Präsidentschaftskandidaten gerät nicht zur erwarteten Blamage des Republikaners. Clinton kann sich nicht deutlich absetzen. Auch Trump kann nicht entscheidend punkten, aber grobe Patzer leistet er sich kaum.

In den 48 Stunden zuvor war von Clintons Lager und in Medien schon sein Abgesang gefeiert worden. Einen Monat vor der Wahl war Trump in die Defensive geraten. In Umfragen lag er ohnehin schon hinter der Demokratin, nachdem diese in der ersten TV-Debatte überzeugt hatte. Das aus dem Jahr 2005 stammende Video mit seinen sexistischen Sätzen wurde zum Skandal, der ihn zu erdrücken drohte.

In den Aufnahmen, die die „Washington Post“ am Freitag veröffentlicht hatte, äußert sich Trump vulgär über Frauen und brüstet sich mit sexuellen Übergriffen. So drastisch waren seine Worte, dass in den US-Nachrichtensendungen gleich mehrere durch einen Piepton ersetzt wurden.

In den Stunden danach gingen etliche Republikaner auf Distanz zu ihrem Kandidaten. Führende Vertreter der Partei wie der mächtige Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, zeigten sich entsetzt. Selbst sein eigener Vize Mike Pence kritisierte Trump. Medien sprachen von einem „Bombeneinschlag“.

Die alte Garde der Partei hat die Geduld mit ihm verloren, aber Trump unternimmt in der Debatte keinen Versuch, sich mit ihr zu versöhnen. Er kämpft für sich.

Das Besondere an dem zweiten Duell ist, dass diesmal auch die Zuschauer das Wort haben. Eine ausgewählte Gruppe unentschlossener Wähler darf Fragen stellen.

Trump dreht sich ihnen zu, aber seine Worte gelten seinen Unterstützern draußen vor den Bildschirmen. Er spricht zu jenen Anhängern, die ihm ohnehin treu verfallen sind und die ein unerbittlicher Hass auf Hillary Clinton eint. Besonders deutlich wird das, als er erklärt, Clinton würde längst im Gefängnis sitzen, wenn er für die Gesetze zuständig wäre. Es ist der Widerhall des Schlachtrufes seiner Fans, die Demokratin gehöre eingesperrt.

Die Moderatoren Anderson Cooper und Martha Raddatz bezichtigt er an einer Stelle, sich gegen ihn verschworen zu haben und ihn härter anzugreifen als Clinton. Die Verschwörung der Mainstream-Medien gegen Trump, auch das ist etwas, was seine Anhänger immer wieder vorbringen.

Während Clinton spricht, wandert Trump über die Bühne, geht immer wieder vor und zurück, sein Blick ist genervt. Sie steht still, während er das Wort hat.

Clinton wiederholt ihre Anschuldigungen, Trump sei ein Verbündeter von Amerikas Gegnern, hege eine Verehrung für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, habe keine Ahnung von den großen außenpolitischen Fragen. Sie ist erneut sehr gut vorbereitet, wartet mit Details und Fakten auf, spricht ausführlich über ihre Pläne für den syrischen Bürgerkrieg.

Trump feuert dagegen so viele Anschuldigungen und Unwahrheiten ab, dass sie nicht mehr nachkommt. Auch die Moderatoren wirken mehrmals so, als habe der Republikaner sie mit seinen Ausführungen aus dem Konzept gebracht. Manchmal gelingt es ihnen kaum, den 70-Jährigen in seinem Redefluss zu stoppen.

Er bezeichnet Clinton als Teufel, sagt, sie trage Hass im Herzen. Er behauptet, sie sei für den Tod des muslimischen Soldaten Humayun Khan verantwortlich, weil sie für den Irakkrieg gestimmt habe. Dass er selbst die Invasion befürwortete und dass die Eltern des toten Hauptmannes ihn für seine islamfeindlichen Bemerkungen kritisiert haben, wischt er einfach weg.

Trump bringt auch immer wieder Clintons E-Mail-Affäre ins Spiel. Sie räumt anfangs ein, dass es ein Fehler gewesen sei, als Außenministerin dienstliche E-Mails über einen privaten, nicht gesicherten Server versandt zu haben. Er spricht immer weiter darüber.

Schon als die Debatte noch gar nicht begonnen hatte, suchte der Republikaner das Scheinwerferlicht. Völlig unerwartet trat er vor die Medien - mit vier Frauen an seiner Seite, von denen drei den Ex-Präsidenten Bill Clinton sexueller Übergriffe beschuldigen.

Es war sein Gegenangriff nach dem Video-Skandal, in der Debatte wiederholt er ihn. Bill Clinton habe sich viel schlimmer verhalten als er selbst, sagt er zu Beginn. Bei ihm selbst gehe es nur um Worte, bei Clinton um Taten.

Der Wahlkampf, der an Skandalen ohnehin nicht arm war, ist an einem neuen Tiefpunkt angekommen.

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