Fragen und Antworten Stillstand bei Sturm: Was steckt hinter der Bahn-Strategie?

Berlin (dpa) - Das Orkantief „Friederike“ hat das Bahnsystem in Deutschland für einen halben Tag lahmgelegt. Viele Fahrgäste blieben am Donnerstag auf der Strecke. Am Freitag lief der Zugverkehr aber wieder vergleichsweise schnell an.

Fragen und Antworten: Stillstand bei Sturm: Was steckt hinter der Bahn-Strategie?
Foto: dpa

Mehr als 200 beschädigte Streckenabschnitte stellte die Bahn nach dem Sturm fest. Das kostet nicht nur Millionen Euro, sondern auch Zeit, um von umgestürzten Bäumen blockierte Gleise freizuräumen und Oberleitungen zu reparieren. 60 Prozent der Schäden waren bis Freitagnachmittag behoben. Sieben Fernrouten waren noch gesperrt, darunter Kassel-Frankfurt, Frankfurt-Mainz-Köln, Dortmund-Hamburg und Fulda-Erfurt-Berlin. Am Samstag sollte der Verkehr wieder weitgehend störungsfrei rollen.

Der Eindruck täuscht nicht: Wenn sich ein Sturm ankündigt, reagiert die Bahn schneller als früher mit der Einstellung des Zugverkehrs. Sie will so verhindern, dass Züge auf offener Strecke liegenbleiben und evakuiert werden müssen. Vorsorglich bleiben die Züge deshalb in den Bahnhöfen. „Dort kann man die Fahrgäste besser betreuen. Es erleichtert nach dem Unwetter auch die Wiederaufnahme des Betriebs und die Werkstattfahrten zur Wartung.“ Diese Praxis verfolge die Bahn seit zwei bis drei Jahren.

Es passiert ja nicht zum ersten Mal. Deshalb trugen die meisten Bahnfahrer die Lage mit Fassung. „Sturm ist Sturm“, sagte eine Reisende, die am Morgen von Hamburg nach Hannover gekommen war. Da könne niemand etwas machen. „Man fährt erstmal so weit, wie man kommt“, zeigte sich Thomas Pittack pragmatisch. Er wollte schon am Donnerstag von Hamburg nach Berlin fahren. Nun frühstückte er im Nachtzug, der am Bahnhof in Hannover steht, ein Butterbrot mit Salami, serviert von der Bahn. Bundesweit stellte die Bahn in der Nacht zum Freitag 53 Züge in Bahnhöfen für gestrandete Fahrgäste zum Aufenthalt bereit. In den meisten gab es auch etwas zu essen und zu trinken.

Auch diesmal blieb der Bahn der Vorwurf nicht erspart, dass sie es in solchen Ausnahmesituationen nicht schafft, alle Fahrgäste über die aktuelle Verkehrslage zu informieren. Hinzu kamen diesmal große Probleme bei der Fahrplanauskunft im Internet und in der Bahn-App „DB Navigator“. Bei der Einspeisung der vielen neuen Daten für Ersatzzüge und Umleitungen gab es Übertragungsfehler - bis Freitagmorgen gab es für die Kunden online keine brauchbaren Auskünfte.

Anders als bei „Xavier“ Anfang Oktober wurde diesmal der ganze Fernverkehr gestoppt. Doch die Schäden, die „Friederike“ anrichtete, waren nicht ganz so schlimm, und die Züge nahmen früher den Verkehr wieder auf. Zum Zeitpunkt von „Xavier“ trugen die Bäume noch viel Laub, was sie für Wind besonders angreifbar machte. Die Folge damals: Mehr als 500 kaputte Stellen in Nord- und Ostdeutschland. Mehr als 1000 Kilometer Schienenstrang waren betroffen. „Xavier“ hebelte sogar Strommasten samt Fundament aus dem Boden.

Die Pflanzen werden nach Angaben der Bahn zurzeit mindestens sechs Meter links und rechts der Gleise zurückgeschnitten. Dabei werde auch das Natur- und Artenschutzrecht berücksichtigt. In ihr Vegetationsprogramm stecke das Unternehmen auch 2018 wie schon im Vorjahr rund 100 Millionen Euro.

Die Bahn antwortet darauf, dass sie „an besonderen Stellen“ die Bäume auch „entsprechend ihrer Höhe und Entfernung zum Gleis auch über die sechs Meter hinaus beseitigt“. Dafür würden zusätzlich 16 Millionen Euro ausgegeben. Die Bahn selbst besitzt viele Wälder. Oft aber sind die Grundstücke entlang der Bahn im Eigentum von Kommunen oder Privatleuten. Die Bahn muss sich im Zweifel mit ihren Nachbarn einigen, wie weit Büsche und Bäume zurückgeschnitten werden.

Nach den beiden Herbststürmen „Herwart“ und „Xavier“ hatte die Bahn angekündigt, die Folgen genau zu analysieren, auch mit Blick auf den Baumbeschnitt. Das sei auch geschehen, sagte ein Bahnsprecher am Freitag. Es gehe buchstäblich darum, die Wälder entlang der Bahntrassen in Absprache mit den jeweiligen Besitzern zu durchforsten. Vor allem sollen Flachwurzler durch tiefwurzelnde Baumarten wie Eiche oder Blutahorn ersetzt werden. Ein Programm, das nach Überzeugung der Bahn zwar keine schnelle Abhilfe bringt, aber mittelfristig die Bahn sturmfester machen wird.

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