Syria Civil Defense Retter in den Trümmern

Stockholm (dpa) - Vor dem Krieg waren sie Bäcker, Lehrer oder Verkäufer. Jetzt sind sie Feuerwehrleute und Sanitäter - und rücken immer dann aus, wenn auf Rebellengebiete im syrischen Bürgerkrieg Bomben fallen.

Syria Civil Defense: Retter in den Trümmern
Foto: dpa

„Wenn die Bomben herunterregnen, stürmen die Weißhelme heran“, heißt es in dem Bürgerkriegsland. Oft sind sie die ersten vor Ort, die Verletzte versorgen oder Opfer aus den Trümmern ziehen. Als die Gruppe 2013 anfing, ihr Leben zu riskieren, um andere zu retten, bestand sie aus einem Dutzend Freiwilliger. Inzwischen engagieren sich in der Organisation, die offiziell Syria Civil Defense heißt, 3000 Menschen. Der Alternative Nobelpreis ehrt ihren „herausragenden Mut, ihr Mitgefühl und humanitäres Engagement“.

Auch für einen Friedensnobelpreis werden die syrischen Retter gehandelt. Eine Kampagne, unterstützt von Hollywoodstars wie George Clooney, Daniel Craig und Ben Affleck, dem Sänger Justin Timberlake und seiner Kollegin Alicia Keys, macht sich dafür stark. Die prominente Unterstützung macht die Freiwilligen zwar stolz. Aber, wie Ibrahim al-Hadsch von den Weißhelmen in der umkämpften Stadt Aleppo im Norden Syrien sagt: „Unser Ziel ist (...) nicht so sehr der Nobelpreis als vielmehr ein Ende des Kriegs in Syrien.“

Die Hoffnung darauf ist wieder geschwunden, seit Syriens Militär die Waffenruhe am Montag nach einer Woche für beendet erklärt hat. Als Lastwagen eines Hilfskonvois von Luftangriffen getroffen werden, geht ein Video der Hilfsorganisation aus dem Norden des Bürgerkriegslandes um die Welt. Es zeigt einen Mitarbeiter der Weißhelme in dem Ort Orem al-Kubra. Während hinter ihm noch die Flammen lodern, berichtet er, ein syrischer Hubschrauber haben die Fahrzeuge angegriffen.

Anhänger der syrischen Regierung werfen den Weißhelmen enge Kontakte zu Rebellen vor. Doch ein Sprecher der Organisation, Abdel Rahman al-Hassan, weist das zurück. Die einzige Aufgabe der Weißhelme sei es, Leben zu retten. Dass die meist freiwilligen Helfer nur in Rebellengebieten aktiv sind, geht auf ihre Wurzeln zurück. Sie entstanden 2013 dort, wo es in dem Bürgerkriegsland keine staatlichen Strukturen mehr gab und Rettungshelfer fehlten.

Nach dem Angriff auf den Hilfskonvoi haben die Vereinten Nationen alle Hilfsgütertransporte in Syrien eingestellt. Noch mehr sind die Menschen jetzt auf die Freiwilligen angewiesen, die auch dabei helfen, die zerstörte Infrastruktur in den Städten wieder aufzubauen.

„Sie haben viel Erfahrung darin, Wasser und Elektrizität zwischen den Bombenangriffen wieder zu flicken“, sagt der Direktor der Right Livelihood Award Stiftung, Ole von Uexküll. Die Ausbildung organisieren die Weißhelme selbst, finanzielle Unterstützung bekommen sie etwa aus den USA, Deutschland und den Niederlanden. „Deshalb gibt es auch Kritiker, die behaupten, die Weißhelme seien der verlängerte Arm der westlichen Regierungen - völliger Quatsch“, sagt von Uexküll.

Mehr als 140 der zivilen Retter sind bei den Aktionen in den Trümmern schon ums Leben gekommen. Trotzdem wächst ihre Zahl. An 96 Stellen im Land sind sie im Einsatz, buddeln verletzte Kinder aus dem Schutt, reparieren Stromleitungen. Für viele sei die gefährliche Arbeit „die einzige Art, in dieser absolut unmenschlichen Situation menschlich zu bleiben“, sagt von Uexküll. „Vielleicht haben sie auch das Gefühl, dass sie ohnehin nichts zu verlieren haben.“

Der Preis, hofft der Schwede, hilft ihnen, „die Nachricht zu verbreiten, dass die syrische Bevölkerung genug von diesem Krieg hat“. Er sei „ein Hoffnungsschimmer in den dunklen Tagen, in denen wir leben“, sagt Weißhelm al-Hadsch. Außer der Organisation zeichnete die Right Livelihood Award Stiftung am Donnerstag die ägyptische Feministin Mozn Hassan, die russische Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina und die türkische Zeitung „Cumhuriyet“ mit dem Alternativen Nobelpreis aus.

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