Respekt und Anerkennung für Schavan

Berlin (dpa) - Nach dem Rücktritt von Bundesbildungsministerin Annette Schavan hofft die Union, eine drohende schwere Belastung wenige Monate vor der Bundestagswahl abwenden zu können.

Die CDU-Politikerin zog am Samstag nach längerem Zögern die Konsequenzen aus der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit und stellte ihr Amt zur Verfügung. Kanzlerin Angela Merkel nahm das Angebot ihrer engen Vertrauten „sehr schweren Herzens“ an. Sie präsentierte umgehend die bisherige niedersächsische Bildungsministerin Johanna Wanka als Nachfolgerin.

Die 57-jährige Schavan begründete ihren Rücktritt ausdrücklich damit, möglichen Schaden für das Ministeramt und für die CDU zu verhindern. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ging im „Bericht aus Berlin“ der ARD davon aus, dass auch Schavans Verhalten beim Rücktritt „dazu beitragen wird, dass es keine dauerhafte Beschädigung da geben wird“. Laut einer Umfrage von „Bild am Sonntag“ sieht eine Mehrheit der Deutschen die Kanzlerin und die Union durch die Affäre jedoch bereits beschädigt.

Die 61-jährige Wanka, die wegen der CDU-Wahlniederlage in Hannover ohnehin in wenigen Tagen ihr bisheriges Amt verliert, soll bereits an diesem Donnerstag in Berlin das Bundesministerium übernehmen.

Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei bezeichneten Schavans Schritt als politisch überfällig. Ebenso wie führende Wissenschaftler und Koalitionspolitiker äußerte sich aber auch die Opposition anerkennend über die Arbeit der bisherigen Ressortchefin.

Die Universität Düsseldorf hatte Schavan am vergangenen Dienstag ihren Doktortitel mit der Begründung entzogen, sie habe in ihrer Dissertation „systematisch und vorsätzlich“ fremde Texte genutzt, dies jedoch nicht ausreichend gekennzeichnet.

Merkel und Schavan gaben am Samstag gemeinsam im Kanzleramt den Wechsel bekannt. Auch bei ihrem letzten Auftritt als Ministerin wies Schavan alle Vorwürfe strikt zurück. „Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht“, versicherte sie und fügte hinzu: „Die Vorwürfe, das habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach gesagt, treffen mich tief.“ Sie zeigte sich weiter fest entschlossen, gegen den Titelentzug zu klagen.

Die Zeit bis zu einer gerichtlichen Entscheidung sei aber unweigerlich mit Belastungen für die Regierung und die CDU verbunden. „Und das genau möchte ich vermeiden, das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.“ Schavan dankte Merkel für das jahrelange Vertrauen: „Freundschaft hängt nicht an Amtszeiten und wirkt über diesen Tag hinaus.“

Merkel ließ erkennen, dass sie Schavans Ausscheiden auch ganz persönlich bedauert. „Ich habe diesen Rücktritt sehr schweren Herzens angenommen“, erklärte die spürbar bewegte Kanzlerin. Schavan sei die wohl profilierteste Bildungs- und Forschungspolitikerin überhaupt und habe in den sieben Jahren in ihrem letzten Amt Außerordentliches geleistet. Mit dem Rücktritt stelle Schavan nun ihr persönliches Wohl hinter das Gemeinwohl. Auf die Plagiatsvorwürfe ging die Kanzlerin nicht ein. Sie hatte Schavan noch am vergangenen Mittwoch ihr „volles Vertrauen“ aussprechen lassen.

Nach Merkels Überzeugung bringt Schavans Nachfolgerin Wanka durch ihre lange berufliche Erfahrung „beste Voraussetzungen“ mit. „Ich habe mich gefreut, dass sie mir für diese Aufgabe zugesagt hat“, betonte die Kanzlerin.

Die 61-jährige Wanka war bislang in zwei Bundesländern Wissenschaftsministerin. Von 2000 bis 2009 leitete die gebürtige Sächsin in Brandenburg das Hochschulressort. 2010 wechselte sie nach Niedersachsen. Die promovierte Mathematikerin gilt als konservativ und pragmatisch. Wanka danke Merkel für das Vertrauen. Ihre Vorgängerin habe für die Bildung in Deutschland außerordentlich viel erreicht, schrieb Wanka.

62 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut Emnid für die „Bild am Sonntag“ befragten Bundesbürger sehen in der Plagiatsaffäre einen Nachteil für Union und Kanzlerin. Nur 31 Prozent erkennen keinen Schaden. Anfang Mai 2012 waren im Internet erste anonyme Plagiatsvorwürfe gegen Schavan erhoben worden.

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