Report: Streik macht Spanier wütend

Madrid (dpa) - Endlose Schlangen an den Abfertigungsschaltern, wütende Passagiere in überfüllten Terminals, weinende Kinder im Gedränge: Spaniens Fluglotsen haben auf den Airports des Landes ein beispielloses Chaos ausgelöst.

Zum ersten Mal in der Geschichte der spanischen Luftfahrt brachten sie mit ihrem wilden Streik den gesamten Flugverkehr des Landes zum Erliegen.

Tausende von Familien wurden um ihren Wochenendausflug gebracht, Hochzeitsfeiern mussten abgesagt und Fußballspiele verschoben werden. In den Abfertigungshallen der Flughäfen von Madrid, Barcelona oder Mallorca drängten sich ratlose Passagiere. Sie wussten nicht, ob sie noch auf einen Flug warten oder die Hoffnung aufgeben und nach Hause fahren sollten.

Für andere war der Flughafen Endstation: Urlauber campierten die Nacht zum Samstag in den Abfertigungshallen. Reisegesellschaften und eine Sondereinheit des Militärs verteilten Decken und Kissen.

„Ich fühle mich als Geisel genommen“, beklagte sich auf dem Flughafen von Palma ein junger Mallorquiner, der in Madrid die Fußballer von Real sehen wollte.

Der Pilot einer Maschine, die von Madrid nach Frankfurt am Main fliegen sollte, sagte nach der Verweigerung der Starterlaubnis über Lautsprecher: „Es ist nicht zu glauben, was hier geschieht.“

Rund 600 000 Reisende waren am Freitag und Samstag von der überraschenden Arbeitsniederlegung betroffen.

Die spanischen Fluglotsen haben sich mit ihrem Streik wohl zur meistgehassten Berufsgruppe des Landes gemacht. In einem Hotel am Madrider Flughafen, in dem die Streikführer über ihre Strategie berieten, kam es beinahe zu Handgreiflichkeiten zwischen Lotsen und gestrandeten Passagieren. „Ihr habt uns unsere Ferien versaut“, bekamen die Streikenden zu hören. „Ihr solltet alle entlassen werden.“

Spaniens Lotsen gelten als die bestbezahlten in Europa. Ihre Gehälter werden auf fast 30 000 Euro im Monat beziffert. Die üppigen Einkommen gehen vor allem darauf zurück, dass die Fluglotsen bisher nur 1200 Stunden im Jahr Dienst tun mussten und darüber hinaus teuer bezahlte Überstunden leisten konnten.

Die Regierung hat sich daran gemacht, die Privilegien zurechtzustutzen, um die hohen Kosten in den Griff zu bekommen. Sie erhöhte die vorgeschriebene Dienstzeit auf 1670 Stunden im Jahr. Wegen des Wegfalls von Überstunden bedeutet dies für die Lotsen Einkommensverluste von etwa 40 Prozent.

Der Konflikt zwischen den Fluglotsen und der Regierung schwelte schon seit Monaten. Immer wieder kam es vor, dass auffällig viele Lotsen wegen „Krankheit“ fehlten und Flüge sich verspäteten oder abgesagt werden mussten. Die Fluggesellschaften sprachen von einem „verkappten Streik“.

Im vorigen Sommer drohten die Lotsen mitten in der Reise-Saison offen mit Arbeitsniederlegungen. Dies löste in Spanien eine solche Welle der Empörung aus, dass die Lotsengewerkschaft USCA einlenkte. Es gab dann sogar eine „prinzipielle Einigung“ über ein neues Tarifabkommen, aber das Einvernehmen sollte nicht von Dauer sein.

Die Regierung in Madrid verabschiedete am Freitag die Einführung der neuen Dienstzeiten-Regelung und beschloss obendrein, dass die - bisher staatlichen - Großflughäfen in Madrid und Barcelona künftig einem privaten Management unterstellt werden. Da platzte den Fluglotsen offenbar der Kragen. Mitten in ihrer Schicht verließen sie ihre Plätze in den Kontrolltürmen und erklärten, sie fühlten sich „nicht wohl“. Sie traten spontan - und offensichtlich ohne Einschaltung ihrer Gewerkschaft - in den Streik.

Die Regierung rief erstmals in der jüngeren Geschichte des Landes den „Alarmzustand“ aus und schaltete das Militär ein. Offiziere zogen in die Kontrolltürme ein und übernahmen dort das Kommando über die zivilen Lotsen. Die Arbeit der Streikenden konnte die Armee jedoch nicht übernehmen. Dazu fehlen dem Militär die nötigen Fachkräfte. Der zivile Flugverkehr wird in Spanien von 2200 Lotsen dirigiert, die Armee verfügt nur über 200.

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