Denkwürdiger Auftritt Präsident und Volkstribun: Dr. Donald und Mr. Trump

Phoenix (dpa) - Es ist nur 25 Stunden her, dass Trump eine beachtliche Rede an die Nation hielt, in den Mantel präsidialer Würde gehüllt, in deren Verlauf er fast 30 Minuten konsistent einem Gedanken folgte.

Denkwürdiger Auftritt: Präsident und Volkstribun: Dr. Donald und Mr. Trump
Foto: dpa

Zwischen Fort Myer, Virginia und Phoenix, Arizona, liegen indes nicht nur 3182 Kilometer, sondern eine ganze Welt. Hier der Präsident. Dort der Wahlkämpfer. In der Nacht zum Mittwoch gibt Trump dem Affen in Phoenix Zucker. Einmal mehr, und nicht zu knapp.

Dies war kein präsidialer Auftritt „im Wahlkampfstil“, Trump ist bereits voll im Wahlkampf, hat ihn eigentlich nie beendet. In der Halle von Phoenix kann er der Rockstar sein ohne alle Lästigkeiten und Bürden des Amtes. Trump blendet die Rolle des Präsidenten einfach aus. Er badet im Applaus, schließt sich an die Basisstation an, saugt Energie aus den Sprechchören. Einmal gegenseitiges Aufladen, bitte.

Trump tritt bei solchen Kundgebungen auf wie jemand, den sie in den USA „third party candidate“ nennen. Ein Unabhängiger, ein Kandidat ohne Partei. Das ist einerseits kurios, angesichts der Republikaner, auf deren gebeugtem Rücken er ins Weiße Haus kam. Andererseits setzt Trump systematisch genau das fort, was er im Sommer 2015 begonnen hat. Er gibt den Volkstribun, den Außenseiter, den ungehobelt populistischen „Endlich-sagt's-mal-Jemand“. Die Leute lieben es.

Als hätte der Präsident in Washington mit diesem eifernden Mann dort vorne nichts zu tun.

Trump beginnt zurückhaltend, noch ahnt man den Präsidenten. Seine Bewegung sei „eine Bewegung, die auf Liebe aufgebaut ist“, erst am Vortag habe er zur Einheit aufgerufen. Alles hätte so friedlich weitergehen können. Aber dafür war Trump nicht gekommen, er streift das rasch ab. Es beginnt eine Art freier Fall durch die Fakten.

16 Minuten lang wiederholt Trump seine Position zu Rassisten und Neonazis in den USA. Aber nur selektiv. Gibt sich angefasst, beleidigt. Er tut so, als habe er nach den gewalttätigen Zusammenstößen bei einer Rassistendemo in Charlottesville sofort und sehr eindeutig reagiert, auch den Ku Klux Klan und andere Ultrarechte abgelehnt. „Perfekt“ seien seine Worte gewesen, von Beginn an.

Trump war für seine als verharmlosend wahrgenommene Reaktion auf Charlottesville scharf kritisiert worden. Er hatte die Gewalt, bei der eine Frau von einem mutmaßlichen Rechtsextremen mit einem Auto getötet worden war, „vielen Seiten“ zugesprochen. Er sagte, aufseiten der Neonazis seien auch „sehr feine Leute“ unterwegs gewesen. Er nannte die Rassisten erst Tage später beim Namen, um danach wieder auf seine uneindeutige Erstreaktion zurückzufallen.

Der US-Präsident sagte in Phoenix schlicht nicht die Wahrheit. Es sei aber alles nur die Schuld der Medien, sagt Trump, den seltenen Sturm des Protests nach Charlottesville auch aus den eigenen Reihen einfach ignorierend. Dass Trump bei Veranstaltungen wie diesen auf den Medien herumhackt, ist Standard. Aber der Auftritt von Phoenix war mehr, der hatte etwas unverhüllt Demagogisches. Er sprach Journalisten die Liebe zu ihrem Land ab; das ist in Amerika starker Tobak. „Die Reporter mögen unser Land nicht.“ Sie spalteten die USA.

So viele Lügen, „verflucht unehrliche“ Reporter, sagt Trump, die Realität selber nach Kräften verzerrend. Da nur so wenige korrekt berichteten, brauche er eigene Kanäle in den sozialen Medien. Aber Twitter-Stürme, nein, so etwas mache er nicht. „Die einzigen, die Hassgruppen eine Plattform bieten, sind die Medien und die Fake-News-Medien“, sagte Trump.

Dann behauptete der Präsident, verächtlich abwinkend und kopfschüttelnd, die Kameras hinten in der Halle würden gerade ausgeschaltet, weil er sich so kritisch äußere, „seht, wie die roten Lichter ausgehen!“ Stoisch senden alle Sender weiter live.

Was würde Trump eigentlich machen, wenn keiner mehr übertragen würde?

Weiter ging es mit der Trump'schen Sicht der Dinge: Nur ganz wenige Protestler seien vor der Halle! Im echten Leben waren es Tausende, sagt die Polizei. Am Ende setzte sie Tränengas ein, ein Flaschenwurf sei der Anlass gewesen, aber die Darstellungen gehen auseinander.

Trump hat schlechte Tage und reichlich Nackenschläge hinter sich. Zuletzt machten ihm auch schlechte Werte aus Staaten zu schaffen, die für seine Wahl zum Präsidenten entscheidend waren: Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Wenn ein Schnitt von nur noch 35 Prozent Zustimmungsrate Ausdruck beginnender Entfremdung mit der Basis ist, muss der Präsident wohl dringend dem Wahlkämpfer Platz machen.

Am Tag danach wehren sich die angegriffenen CNN-Moderatoren fast wütend. Ein ums andere Mal werden Trumps Reden zu Charlottesville wiederholt. Hier die Realität, dort Trump. Der frühere oberste Geheimdienstler der USA, James Clapper, ist von Trump so erschüttert, dass er sagt: „Ich weiß nicht. Vielleicht sucht er ja den Ausgang.“

Im November 2016 wählte Arizona Trump mit 49,03 Prozent. Im August 2017 liegt seine Zustimmung dort bei 41,8 Prozent. Also gibt er dort im Südwesten Gas beim Thema Mauer zu Mexiko: Garantiert werde er im Herbst die Regierung dichtmachen, wenn der Kongress das Gesetz mit den entsprechenden Geldern nicht freigebe. Das werden auch die Republikaner mit Interesse gehört haben. Wiedervorlage im September.

Nach den Tiraden mündeten dann auch die 77 Minuten von Phoenix letztlich in das Trump'sche Thementrudeln trotz Teleprompters: Verächtliches über die Demokraten, Halbsätze zu Nordkorea und zum Gesundheitssystem, Barack Obama einen mitgeben, „Amerika zuerst“, Klima, Handel, Selbstlob satt.

Es ist das übliche Muster, nur dass es sich diesmal schneller entfaltet hat. Wie auch immer man den „neuen“ Kurs zu Afghanistan bewerten mag, Trump hielt am Montag eine für seine Verhältnisse konzentrierte Rede. Freundliche Reaktionen, auch aus der Partei, sehr präsidentiell. Hieß es.

Nur einen Tag später lässt Trump dann den Präsidenten im Weißen Haus und geht raus. Kämpfen.

Kurz vor Phoenix berief sich die „New York Times“ auf Mitch McConnell, den mächtigen republikanischen Mehrheitsführer im Senat. Der sei nicht sicher, ob Trump seine Präsidentschaft werde retten können. Um Zustimmung jedenfalls ringt der jetzt schon. Mit allen Mitteln.

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