Porträt: Kein Happy End für „Bum Bum Bine“

London (dpa) - Als Sabine Lisickis Kindheitstraum vom Wimbledon-Sieg geplatzt war, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Doch im schweren Moment der Finalniederlage zeigte die 23 Jahre alte Berlinerin Größe.

Lange umarmte sie Marion Bartoli und betonte: „Sie hat es verdient.“

Für die ehrgeizige Lisicki, die im Januar 2008 nach ihrem Erstrunden-Sieg bei den Australian Open verkündete, die Nummer eins der Tennis-Welt werden zu wollen, erfüllte sich die Hoffnung auf die Nachfolge von Steffi Graf nicht.

Dabei liebt die 1,78 Meter große Rechtshänderin die ganz großen Bühnen, hier zeigt sie normalerweise ihr bestes Tennis. Am allerliebsten spielt sie auf den Grasplätzen im All England Club - trotz einer Rasenallergie. „Sabine ist eine kleine Rampensau, die große Bühnen mag und darauf brennt, allen zu zeigen, wie gut sie wirklich ist“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner einmal.

Als es an diesem 6. Juli 2013 auf der bedeutendsten Bühne, die ihre Sportart zu bieten hat, drauf ankam, war Lisicki allerdings schlicht überwältigt. „Es könnte nicht besser sein, und es könnte keinen besseren Ort für mein erstes Grand-Slam-Finale geben“, hatte sie nach ihrem Halbfinal-Sieg gegen die Polin Agnieszka Radwanska gesagt. Doch die Bedeutung des Orts und die historische Dimension des Augenblicks schien sie zu lähmen und zu verunsichern.

Dabei hatte die neue deutsche Tennis-Queen schon auf und neben dem Platz spektakuläre Comebacks gefeiert und auch reichlich Rückschläge verkraften müssen, die für eine ganze Karriere reichen. 2009 wurde sie bei den US Open mit einem Rollstuhl vom Platz gefahren, die befürchtete schwere Verletzung bestätigte sich aber nicht.

Im März 2010 zog sich Lisicki einen Bänderriss zu, musste fünf Monate pausieren und verpasste Wimbledon. Ein Drama spielte sich auch 2011 bei den French Open ab, als sie entkräftet auf einer Trage den Platz verlassen musste. Auch das vergangene Jahr begann mit Sorgen. 2012 machte ihr eine Bauchmuskelverletzung zu schaffen, aber sie wollte unbedingt bei den Olympischen Spielen dabei sein. Zumal das Olympia-Turnier da stattfand, wo sie am liebsten ist - in Wimbledon.

In diesen wundersamen Wimbledon-Tagen blickte sie auf die schwere Zeit zurück. Sie sagte: „Ich musste wieder lernen, zu laufen. Da habe ich gemerkt, wie dankbar man sein muss, zwei gesunde Beine zu haben.“ Als Lisicki auf Krücken gehen musste, las sie die Bücher des alpinen Skistars Hermann Maier, der nach einem Motorradunfall zurückkam und trotzdem noch einmal Gesamt-Weltcupsieger wurde, und von Football-Star Drew Brees von den New Orleans Saints, der nach einer schweren Schulterverletzung um seine Karriere bangen musste.

Im Alter von sieben Jahren begann die Tochter eines promovierten Sportwissenschaftlers und einer Künstlerin mit dem Tennis. Ihre Eltern Richard und Elisabeth zogen von Polen nach Deutschland. Geboren wurde Sabine Lisicki am 22. September 1989 in Troisdorf, seit 2003 lebt die Familie in Berlin. Lisicki hat mittlerweile einen Wohnsitz in der Hauptstadt und in Bradenton/Florida.

Mit 14 wechselt die schon damals ehrgeizige Sportlerin an die berühmte Tennisakademie von Trainer-Legende Nick Bollettieri in den USA. Dort erlernt sie nicht nur ihr markantes Power-Tennis mit den harten Aufschlägen, sondern auch den american way of life. Alles ist möglich, alles kann passieren, wenn man nur will.

Genau mit dieser Einstellung geht Lisicki ihrer großen Passion nach. Am besten gelingt ihr das in Wimbledon. Sie liebt das Spiel auf dem Rasen, hier stand sie vor ihrer ersten Final-Teilnahme 2013 schon im Viertelfinale (2009, 2012) und im Halbfinale (2011). Vor zwei Jahren unterlag sie der Russin Maria Scharapowa. Die Engländer tauften sie trotzdem „Bum Bum Bine“ oder „Doris Becker“. In diesem Jahr nannte sie der österreichische „Kurier“ das „nächste deutsche Sommermädchen“. Als sie es verpasst hatte, als erste Deutsche seit Steffi Graf vor 17 Jahren auf dem Heiligen Rasen zu triumphieren, sagte sie: „Ich hoffe, dass ich noch eine zweite Chance bekomme.“

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