Porträt: Jüngster Präsident - kürzeste Amtszeit

Berlin (dpa) - Christian Wulff war mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident, der ins Amt kam. Und 19 Monate später verlässt er das Schloss Bellevue nach der kürzesten Amtsperiode eines Staatsoberhaupts der Bundesrepublik - unfreiwillig.

Er ist nach Horst Köhler der zweite Präsident, der vorzeitig zurücktritt. Unvorstellbar schien dies bei seiner Wahl im Sommer 2010.

Allerdings verlief schon der Beginn dieser kurzen Amtszeit ein wenig unrund. Erst nach einer stundenlangen Zitterpartie und drei Wahlgängen war am 30. Juni 2010 klar, dass der damalige niedersächsische CDU-Ministerpräsident ins Präsidentenamt wechseln konnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte ihn durch.

Es folgte ein relativ unspektakuläres erstes Jahr - geblieben ist vor allem der eine Satz: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Damit wollte Wulff ein Zeichen für Integration und Zusammenhalt der Gesellschaft setzen. Das sollte das Thema seiner Präsidentschaft werden. Die Zeit blieb ihm nicht.

Ansonsten aber hielt sich Wulff zurück, auch in der immer dramatischeren Euro-Krise wurde er kaum wahrgenommen. Die ihm persönlich besonders wichtige Rede vor Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau verpuffte. Lediglich Sätze, die zu seinem persönlichen Umgang mit Geld und Krediten zu passen schienen, wurden zuletzt zitiert.

Rückschläge war Wulff schon zu Beginn seiner Karriere gewöhnt. Erst nach zwei missglückten Anläufen wurde er 2003 Ministerpräsident in Niedersachsen und stand an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition. Ambitionen als Kronprinz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stritt Wulff immer ab. „Mir fehlt der unbedingte Wille zur Macht und die Bereitschaft, dem alles unterzuordnen“, sagte er in seiner Zeit als Ministerpräsident einmal in einem Interview.

Der Katholik aus Osnabrück gab sich bescheiden. Aber niemand zweifelte daran, dass er hinter den Kulissen gekonnt die Strippen ziehen konnte. Seine Herkunft aus kleinen Verhältnissen und einer schwierigen Familie hat ihn geprägt, hieß es oft - und vielleicht auch den Hang zu großzügigen Freunden wie dem Unternehmer Carsten Maschmeyer oder dem Filmproduzenten David Groenewold begünstigt.

Das einstige Image des Langweilers, das ihm zu Oppositionszeiten anhaftete, konnte Wulff als Regierungschef in Hannover und als Präsident in Berlin ein wenig abstreifen - auch dank seiner zweiten Frau Bettina. „Ihr müsst Euch daran gewöhnen, dass Ihr einen jungen Bundespräsidenten habt“, kokettierte der 52-Jährige gerne mit der Tatsache, dass er und seine Frau (38) mit Abstand das jüngste Präsidenten-Ehepaar waren, das die Bundesrepublik je hatte. Die Kinder Linus und Leander waren wichtiger Teil des Lebens auch als Staatsoberhaupt.

Dass am Ende ein 500 000-Euro-Kredit für das Familienheim in Burgwedel den Rücktritt einleitete, wäre Politikern mit einer anderen Herkunft vermutlich nicht passiert. „Jeder weiß, dass Scheidungen teuer sind“, sagte Wulffs Unternehmerfreund Egon Geerkens, als die besonders günstigen Bedingungen für den Hauskredit bekanntwurden. Hatte am Anfang die „Bild“-Zeitung die Karriere Wulffs gefördert, war sie zum Schluss der schärfste Kritiker. Nicht über Affären an sich stolpern Politiker in der Regel, sondern über ihren Umgang damit. Das schrieb „Bild“ schon am 13. Dezember.

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