Polit-Krise in Italien : Oettinger-Ratschläge schüren Spannungen mit Rom
Brüssel/Rom (dpa) - Lieber mal die Klappe halten: Das ist die Losung in Brüssel, seit in Italien die geplante Koalition der rechten Lega und der populistischen Fünf Sterne gescheitert ist.
Denn die Lage ist unübersichtlich, Neuwahlen nahen, die Finanzmärkte sind nervös, die Signale für den Euro beunruhigend, und Mahnungen aus der europäischen Hauptstadt kamen in Rom zuletzt ohnehin nicht gut an. „Es empfiehlt sich nicht in diesen Tagen, zu viel über Italien zu sprechen“, sagte Jyrki Katainen, Vizepräsident der EU-Kommission, am Montag.
Nur einer hielt sich nicht dran und stach prompt in ein Wespennest. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger sagte am Dienstag der Deutschen Welle, er hoffe, dass die Italiener die negativen Reaktionen auf den Finanzmärkten sähen: „Ich kann nur hoffen, dass dies im Wahlkampf eine Rolle spielt, im Sinne eines Signals, Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen“, meinte Oettinger. Der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, feuerte prompt über Twitter zurück und schrieb der „Deutsche Oettinger“ mache ihm keine Angst mit seiner „Drohung“.
Die Episode zeigt, wie gespannt das Verhältnis zwischen Rom und Brüssel derzeit ist. In der EU herrscht auch nach der Ankündigung einer Technokraten-Regierung unter dem Finanzexperten Carlo Cottarelli große Sorge über die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone mit ihrem hohen Schuldenberg. Und Italien läuft sich schon warm für Neuwahlen. Absehbar sind Monate der Unsicherheit - auch für die EU.
Wieso ist die Regierungsbildung in Italien überhaupt so wichtig?
Das Land hat als EU-Gründerstaat große Symbolkraft. „Italien ist für die Europäische Union von höchster Bedeutung“, beteuert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Bräche das Land als Stütze der EU weg, könnte dies das ganze Gefüge ins Wanken bringen. Auch deshalb ließen Lega und Sterne mit Grundsatzkritik an Brüssel, am Euro und an den EU-Haushaltsregeln die Alarmglocken schrillen. Zudem machte man sich Sorgen über angekündigte üppige Sozialausgaben, die das Euroland in ernste Schwierigkeiten bringen könnten und die gesamte Eurozone ebenfalls.
Wie könnte das geschehen?
Das Land hat bereits Schulden in Höhe von knapp 132 Prozent seiner Wirtschaftskraft - dabei sind in der EU eigentlich nur 60 Prozent erlaubt. Nur in Griechenland liegt die Schuldenquote höher, doch ist Italiens Volkswirtschaft ungleich größer und wichtiger. Auf die Bilanzen der italienischen Banken drücken zudem Berge fauler Kredite, die als Stabilitätsrisiko gelten. Wirtschaftswachstum und Reformen lahmen seit Jahren. Kurzum: Italien gilt in der Eurozone inzwischen als der wohl größte Unsicherheitsfaktor.