Fragen und Antworten Österreichs Richtungswahl unter der Lupe

Wien (dpa) - Es könnte so einfach sein: Zwei äußerst befähigte Politiker wie Christian Kern (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) arbeiten zusammen statt gegeneinander. Doch das Misstrauen unter den handelnden Personen und den beiden Volksparteien ist in Österreich enorm.

Fragen und Antworten: Österreichs Richtungswahl unter der Lupe
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Eine vorzeitige Parlamentswahl ist die Folge. Heute mischen die Bürger die Karten neu. Ein Gewinner scheint schon festzustehen: Die rechte FPÖ.

Warum sprechen alle Kandidaten von einer Richtungswahl?

Die Wahl könnte tatsächlich eine Abkehr vom altvertrauten Schema einer großen Koalition von SPÖ und ÖVP bringen. Rund 45 Jahre haben die beiden Volksparteien seit 1945 zusammen regiert. Nach dem tiefen Zerwürfnis der Volksparteien rücken jetzt die Rechtspopulisten wohl in die Rolle des Bündnispartners. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache steht vor einem möglichen großen Erfolg. Kanzler-Favorit Sebastian Kurz will sich als Veränderer beweisen und mit großen Reformen statt mit Minimalkompromissen regieren. SPÖ und Grüne befürchten eine neue soziale Kälte und einen intoleranteren Geist in der Alpenrepublik.

Wie wahrscheinlich ist eine Koalition aus SPÖ und FPÖ?

30 Jahre lang galt in der SPÖ ein per Parteitagsbeschluss erlassenes Bündnisverbot mit der FPÖ. Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern hat seit seinem Amtsantritt im Mai 2016 eine neue Linie eingeschlagen. Er will die Rechtspopulisten nicht kategorisch ausgrenzen. Sollte die FPÖ ganz wesentliche Aspekte einer sozialdemokratischen Politik mittragen und dem SPÖ-„Werte-Kompass“ entsprechen, ist eine Zusammenarbeit zumindest denkbar. Sein Kalkül: Nur bei einer Öffnung lassen sich FPÖ-Wähler zurückgewinnen, deren politische Heimat einst die SPÖ war. Auf Landesebene arbeitet die SPÖ seit 2015 im Burgenland bereits mit der FPÖ zusammen.

Welche Folgen hätte eine Regierungsbeteiligung der FPÖ für die EU?

Im anstehenden Reformprozess der EU plädiert die FPÖ - wie die ÖVP - für eine möglichst schlanke Union, die sich auf Kernaufgaben beschränkt. Österreich, das in der zweiten Jahreshälfte 2018 den EU-Ratsvorsitz übernimmt, würde massiv für diese Position werben. Strache ist auch für ein gemeinsames Auftreten der Alpenrepublik mit den EU-kritischen Visegrad-Staaten (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen), die gerade in der Flüchtlingsfrage immer wieder europäische Lösungen blockiert haben. Unterm Strich bekäme die Linie Deutschlands und Frankreichs, die für eine aktivere Union eintreten, stärkeren Gegenwind.

Was passiert mit Kanzler Kern bei einer Niederlage?

Zunächst einmal hofft der 51 Jahre alte Regierungschef immer noch auf eine Sensation in letzter Minute. Eine wichtige Marke ist das SPÖ-Ergebnis von 2013, als der zuletzt sehr ungeliebte Werner Faymann 26,8 Prozent einfuhr. Das bedeutete das schlechteste Abschneiden der Sozialdemokraten seit 1945. Fällt die SPÖ auf Platz drei oder unterbietet den Negativrekord von 2013, ist Feuer unterm Dach. Als möglicher Nachfolger von Kern wird Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gehandelt, der zum rechten Flügel der Partei zählt und sich mit ÖVP-Chef Kurz gut versteht. Er wäre eine personelle Option für eine - bisher unwahrscheinliche - Wiederannäherung von Rot und Schwarz.

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