Wahlkrimi bei der AfD : Niederlage für gemäßigten Flügel
Hannover (dpa) - Stundenlang plätschert der AfD-Parteitag in Hannover emotionslos vor sich hin. Es geht um Kleingedrucktes, um prozedurale Fragen.
Selbst Parteichef Jörg Meuthen, der sonst gerne auf das „links-rot-grün versiffte 68-er Deutschland“ schimpft, klingt in seiner Eröffnungsrede ungewohnt zahm. Erst am Abend kochen die Emotionen hoch. Und die AfD macht ihrem Ruf als Überraschungspartei wieder einmal alle Ehre.
Meuthens Wiederwahl zum Vorsitzenden geht noch relativ glatt durch - auch wenn rund ein Viertel der Delegierten gegen den amtierenden Parteichef stimmt. Doch dann wird es heftig. Der Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski kandidiert wie angekündigt für den Posten des gleichberechtigten Co-Vorsitzenden. Da meldet sich eine Überraschungskandidatin.
Doris von Sayn-Wittgenstein ist erst seit 2016 AfD-Mitglied. Jetzt will die schleswig-holsteinische Landeschefin, die dem rechtsnationalen Flügel um den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke nahesteht, Co-Vorsitzende werden. Die Frau mit dem blonden Zopf hält eine Rede voller Pathos, lobt die neue „patriotische Richtung“ der AfD.
Einige Mitglieder aus Schleswig-Holstein sind regelrecht schockiert. „Ich bin ziemlich überrascht, dass sie für den Spitzenposten kandidiert“, sagt Landtagsfraktionschef Jörg Nobis. Eine sichtlich verärgerte ostdeutsche Delegierte sagt voller Sarkasmus: „Da spricht Madame Höcke.“ Nach zwei Wahlgängen ohne klare Mehrheitsverhältnisse zieht von Sayn-Wittgenstein ihre Kandidatur wieder zurück.
Manche fragen sich nun, ob die Überraschungskandidatin vielleicht nur als „Platzhalterin“ für den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, angetreten ist. Er hatte sich eine Kandidatur gegen Pazderski bis zuletzt offengehalten. Von Sayn-Wittgenstein weist das von sich. „Ich glaube, ich habe noch nie ein Wort mit ihm gesprochen.“