Fragen und Antworten Minister Schmidt schert aus beim Glyphosat - und nun?

Berlin (dpa) - Es war ein Hängen und Würgen um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Anderthalb Jahre lang kam die nötige Mehrheit für oder gegen die weitere Verwendung unter Vertretern der EU-Staaten in Brüssel nicht zustande.

Fragen und Antworten: Minister Schmidt schert aus beim Glyphosat - und nun?
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Deutschland stimmte nicht mit, weil die Koalitionsregierung aus SPD und Union nicht zueinander fand. Dann schlägt Agrarminister Christian Schmidt (CSU) überraschend alle Bedenken in den Wind und stimmt einer fünfjährigen Weiterverwendung zu. Durfte er das? Und wie geht es weiter?

Ja. Er hat sich nicht an die Geschäftsordnung der Bundesregierung gehalten, wofür Kanzlerin Angela Merkel ihn nun öffentlich rügte. „Es ist etwas, was sich nicht wiederholen darf.“ In der Geschäftsordnung heißt es ganz klar: „Bei Überschneidungen und sich daraus ergebenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Bundesministern entscheidet die Bundesregierung durch Beschluss.“ Pikant: Nach Angaben aus bayerischen Regierungskreisen war CSU-Chef Horst Seehofer vorab über Schmidts geplantes Ja informiert.

Ohne Deutschland wäre die nötige qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für den Vorschlag der EU-Kommission nicht zustande gekommen. Das bedeutet: Die Brüsseler Behörde hätte selbst entscheiden müssen. Denn es liegen Anträge von Herstellern auf Verlängerung der Zulassung von Glyphosat vor und diese müssen beschieden werden.

Agrarminister Schmidt sagt: „Die EU-Kommission hätte sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden.“ Ob das wirklich der Fall gewesen wäre, wollte die Behörde allerdings nicht sagen. Eine Sprecherin lehnte am Dienstag jeden Kommentar ab.

Die Signale vor dem Vermittlungsverfahren waren zwiespältig. Noch im Sommer sagte Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis: „Ich muss ganz klar sagen: Die Kommission hat nicht die Absicht, die Substanz ohne die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten erneut zu genehmigen.“

Vor wenigen Tagen klang Andriukaitis aber etwas anders. Er verwies darauf, dass die Kommission nur in engem Rechtsrahmen auf wissenschaftlicher Grundlage agieren könne und dass mehrere EU-Agenturen kein Krebsrisiko durch Glyphosat sähen. Im Übrigen habe das Europäische Parlament eine - wenn auch beschränkte - Zulassung für fünf weitere Jahre befürwortet.

Diplomaten mutmaßten deshalb vor der Sitzung vom Montag, dass die Kommission ebenfalls eine Verlängerung um fünf Jahre gewähren würde, wenn sie alleine zu entscheiden hätte. Da sich die Behörde offiziell bedeckt hält, ist das allerdings Kaffeesatzleserei.

Ja. Nach Darstellung der Kommission können die EU-Staaten nach der erneuten Zulassung von Glyphosat selbst über Verbote oder Auflagen für die Verwendung entscheiden. Es liege in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, Pflanzenschutzprodukte unter besonderer Berücksichtigung der klimatischen und landwirtschaftlichen Bedingungen ihres Gebiets auf Risiken zu prüfen. Frankreich hat bereits angekündigt, dass Glyphosat dort nicht länger als drei weitere Jahre verwendet werden soll.

Laut dem Kieler Umweltministerium können die Länder nur die private Anwendung von Glyphosat beispielsweise auf Hauseinfahrten untersagen. Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) hatte im November vor dem Landtag erklärt: „Leider können wir landesseitig aber kein Verkaufsverbot durchsetzen, so dass trotz Anwendungsverbot glyphosathaltige Pestizide in Baumärkten angeboten werden.“ Ein solches Verbot ist nach Ministeriumsangaben aber nur auf Bundesebene möglich.

Einige Wissenschaftler haben die Substanz im Verdacht, Krebs auszulösen. Umweltschützer oder auch das Umweltbundesamt beklagen aber auch negative Auswirkungen für die Tier- und Pflanzenwelt: Als sogenanntes Totalherbizid töte das Mittel alles ab, was auf dem Feld außer Nutzpflanzen noch so sprießt. Das entziehe zum Beispiel Insekten und Feldvögeln die Nahrungsgrundlage.

Manche glyphosathaltige Mittel schon. Insgesamt 105 Produkte mit dem Wirkstoff Glyphosat sind in Deutschland zugelassen. Fast die Hälfte davon darf auch „in Haus und Kleingarten“ angewendet werden.

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