Merkels Spagat - wird die CDU bald „grüner“?

Berlin (dpa) - „Weiter so“ geht nicht: Das ist für die CDU das Signal des Fiaskos bei der Wahl in Baden-Württemberg. Für Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel ist das Aus für die schwarz-gelbe Regierung im CDU-Stammland ein „tiefer Einschnitt“.

Der CDU nutzte es nichts, dass sie rund 200 000 Stimmen mehr bekam als vor fünf Jahren. Merkel steht vor einem schwierigen Spagat: Sie muss für mehr Vertrauen werben, denn sie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem - mit dem Atom-Moratorium, aber nicht nur damit. Merkel muss darüber hinaus die Konservativen einbinden.

Der Wirtschaftsflügel wettert gegen Merkels Kurs. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, spricht von einer Verunsicherung der Stammwähler. Und der Chef der CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, kritisiert bei „Spiegel Online“: „Erst werden die Laufzeiten verlängert, dann wird diese Entscheidung wieder ausgesetzt. Die Menschen fragen sich: Wissen die eigentlich noch, was die da tun?“ Er warnt vor einem Vertrauensverlust. Merkel will die Bedenken ernstnehmen.

Auf der anderen Seite muss die CDU-Chefin nach der Atomkatastrophe in Japan Konsequenzen daraus ziehen, dass selbst Stammwähler verunsichert sind. Die meisten Bundesbürger sahen im Atom-Kurswechsel ein wahltaktisches Manöver. Merkel wird am Tag nach der Wahl grundsätzlich: „Natürlich sind die allermeisten bei uns Befürworter der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Ich habe dazugehört. Aber für mich ist Japan ein einschneidendes Ereignis.“ Nun steht in der bisherigen Pro-Kernkraft-Partei CDU ein schnellerer Atomausstieg zur Diskussion.

Merkel beschwört den Zusammenhalt der Union. „Wir sind eine Gemeinschaft, die jetzt auch die Entwicklungen gemeinsam tragen wird.“ Die Kritik in der Union richtet sich nicht nur gegen ihren Kurs in der Energiepolitik. Auch die Euro-Hilfen stießen einigen bitter auf. Hinzu kam Unmut über die deutsche Enthaltung zur UN-Resolution über ein militärisches Eingreifen in Libyen. Doch konservative Stimmen sind nicht mehr so zahlreich in der CDU wie zu Zeiten von Friedrich Merz oder Roland Koch. Das hilft der Parteichefin bei manch pragmatischer Wendung.

Das Unglück in Japan und das schwarz-gelbe Ende in Baden-Württemberg sind für Merkel Anlass, Weichen neu zu stellen. Der Weg wird wohl in der Energiepolitik grüner als bisher ausfallen. Ob die CDU aus strategischen Gründen wieder mehr auf die Grünen zugeht, schon mit Blick auf die nächste Bundestagswahl 2013? Die Wahl in Baden-Württemberg hat offenbart, dass sich die meisten dort bei der Atompolitik von den Grünen vertreten sahen, nicht von der CDU.

Die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner, die für die Christdemokraten Gewinne einfuhr, bietet den Grünen in ihrem Land jedenfalls Gespräche an, obwohl sich Rot-Grün anbahnt. Merkel hatte mögliche schwarz-grüne Bündnisse noch vor vier Monaten als „Hirngespinst“ abgetan. Inzwischen scheint sie die Tür - zumindest auf Länderebene - wieder ein bisschen zu öffnen. „Ich find's gut, dass die Grünen jetzt auch das Gespräch suchen.“ Schließlich sei es ja nicht die CDU gewesen, die die Türen zumachte.

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