Merkel trifft CDU-Basis: Sorge über Flüchtlingszustrom

Wuppertal (dpa) - In der Asylpolitik zeigt Kanzlerin Angela Merkel klare Kante. Dafür erntet sie auch unter Spitzenpolitikern der Union keineswegs nur Beifall.

Doch wie steht die CDU-Basis zum Kurs ihrer Parteichefin? Das will Merkel auf einer Tour durch Deutschland herausfinden. Feuertaufe ist am Donnerstagabend in Wuppertal.

Eigentlich sollte es in der ersten von bundesweit vier „Zukunftskonferenzen“ um die gesamte Palette der geplanten Parteireformen gehen. Doch Merkel macht von Anfang an klar, dass sie sich nicht hinter Diskussionen über Familienpolitik oder Digitalisierung verstecken will. Sie fordert die rund 1000 CDU-Mitglieder auf, mit ihr über die umstrittene Asylpolitik zu reden. „Ich denke, es ist gut und richtig, dass ich darüber Bericht erstatte, was mich bewegt und wie ich mir die Dinge vorstelle.“

Und die so Ermutigten nehmen die Chance wahr und lassen ihre Sorgen und Ängste ungefiltert raus. Es gebe bereits „Banden von Asylanten“, die das Asylrecht kriminell missbrauchten, klagt ein CDU-Mitglied. „Das bringt die Bevölkerung auf die Palme. Sowas darf man hier nicht dulden.“ Ein Anderer warnt: „Ich will nicht Schulen erleben, wo Eltern Angst haben müssen, wenn ihre Kinder Schweinefleisch zum Frühstück mitbringen. Wir müssen unsere Identität behalten.“ Immerhin stellt er fest: „Es ist sicher nicht jeder Muslim ein Terrorist.“

Auch eine CDU-Ratsfrau aus Dortmund sorgt sich, wie deutsche Werte angesichts wachsender muslimischer Bevölkerungsanteile erhalten werden können. Merkel notiert alles ruhig und geht auf jeden ein - hält solche Sorgen aber für unbegründet. „Vier Millionen Menschen sind Muslime, 76 Millionen sind keine Muslime - da müsste es eigentlich gehen, dass wir unsere Kultur zum Ausdruck bringen“, gibt sie zurück. Für Verstöße gegen deutsche Grundwerte gelte aber: „Null Toleranz.“

Eine junge Frau, die in einer Wohngemeinschaft in Gladbeck syrische und irakische Flüchtlinge betreut, beklagt Überbürokratisierung. Einige ihrer Schützlinge seien an sechs verschiedenen Stellen registriert worden. „Sie wissen nicht, wer für die zuständig ist“, klagt sie. „Ich fühle mich als Ehrenamtlerin total alleingelassen.“ Das versteht die Kanzlerin. „Manches ist chaotisch. Das ist leider so. Das müssen wir ordnen“, räumt sie ein.

Ein Anderer will wissen, ob ein „zunehmend despotisch regierender“ türkischer Präsident der richtige Partner zur Lösung der Flüchtlingskrise sei. „Frieden in Syrien werden wir nicht kriegen, wenn wir an alle die Ansprüche stellen, die wir an Politiker in Deutschland stellen“, stellt Merkel fest.

Alle Parteifreunde, die sich um den sozialen Frieden sorgen und Überforderung befürchten, mahnt Merkel: „Das C in unserem Namen ist nicht nur für Sonntagsreden und nicht nur für die gedacht, die in Deutschland und Europa leben.“

Parteimitglied Michael Müller aus Wuppertal konstatiert der Kanzlerin: „Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen.“ Die CDU müsse aber mehr tun, um besorgte Menschen auf der Straße auf ihrem Kurs mitzunehmen. Eltern fragten sich, ob Hunderte Männer in den Turnhallen von Schulen eine Bedrohung für ihre Kinder seien. „Die Angst ist da.“

Das sei aber eine Aufgabe für alle, die Menschen mitzunehmen, hält Merkel dagegen. „Wie oft höre ich das: Kennt die sich überhaupt aus?“ Sie erfahre sehr viel aus dem Alltag der Menschen, ohne dass sie das ständig öffentlich ausbreite, unterstreicht sie. „Meine Aufgabe ist eine andere: dass ich das Problem löse.“

Skurrile Forderungen pariert die Kanzlerin in Wuppertal mit Humor. Ein Christdemokrat fordert, ein Flüchtlingszelt auf der Wiese vor dem Reichstag aufzustellen und die Asylsuchenden in der dortigen Kantine zu speisen. Wenn sie dem nachkomme, sagten sie Leute: „Die Merkel ist wohl ganz verrückt geworden“, antwortet sie. „Und wenn ich dann ein Selfie mache, sagen sie auch wieder, das ist nicht richtig.“

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