Literarische Vorbilder und der Schreibstil „Vergegenkunft“

Lübeck (dpa) - Günter Grass hat freimütig Auskunft gegeben, welche Autoren und Werke ihn besonders beeinflusst haben. An erster Stelle nannte er als seinen „Lehrer“ den expressionistischen Schriftsteller Alfred Döblin (1878-1957, „Berlin Alexanderplatz“).

„Er wird Sie beunruhigen, er wird Ihre Träume beschweren; Sie werden zu schlucken haben; er wird Ihnen nicht schmecken, unverdaulich ist er, auch unbekömmlich. Den Leser wird er ändern. Wer sich selbst genügt, sei vor Döblin gewarnt“, sagte Grass 1967 in seiner Rede zum 10. Todestag Döblins.

Grass hat einen Döblin-Literaturpreis gestiftet und sein früheres Haus in Wewelsfleth (Schleswig-Holstein) für Autorenstipendien zur Verfügung gestellt.

Literarische Prägekraft für Grass hatten auch der Renaissance-Autor François Rabelais (etwa 1494-1553) und das wohl bedeutendste Barockwerk, der in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges angelegte „Simplicissimus“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676).

Auch den deutschen Schriftsteller Jean Paul (1763-1825), die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm (1785-1863/1786-1859) und den dänischen Märchenerzähler Hans Christian Andersen (1805-1875) nannte Grass als für ihn wichtig.

In seinen Werken - so bereits in seinem Debütroman und Welterfolg „Die Blechtrommel“ - lässt Grass denn auch immer wieder einen märchenhaften Ton anklingen. Er erfindet fantastische Szenerien, schreibt sprachgewaltig und sehr bilderreich.

Das Grauen und Sterben im Zweiten Weltkrieg schildert Grass in seiner Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ und verweist dabei auch auf Grimmelshausens erschütternde Kriegsdarstellungen.

Die maurische und spanische Schule des pikaresken Romans, genannt sei nur Cervantes' Schelmenroman „Don Quijote“, hatte ebenfalls großen Einfluss auf den deutschen Nobelpreisträger.

Typisch für Grass ist sein literarisches Prinzip der „Vergegenkunft“: Er lässt in seinen Werken immer wieder Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges zusammenfließen - so etwa in der Erzählung „Treffen in Telgte“ über ein fiktives Treffen deutscher Dichter im Jahre 1647 - eine verschlüsselte Darstellung der Zusammenkünfte der legendären Gruppe 47 nach dem Zweiten Weltkrieg.

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