Krise in Athen spitzt sich zu: Papandreou vor dem Aus

Athen (dpa) - Die griechische Führung ist angesichts des massiven Drucks der internationalen Geldgeber eingeknickt. Ministerpräsident Papandreou zog seinen umstrittenen Plan für eine Volksabstimmung über Milliardenhilfen und den dafür nötigen Sparkurs zurück.

Er steht aber nun selbst vor dem Aus.

Zwar gingen der angeschlagene Sozialist und die verfeindete konservative Opposition nach monatelangem Streit am Donnerstag zunächst aufeinander zu, um eine Übergangsregierung zu bilden. Am Abend aber forderte Oppositionschef Antonis Samaras im Parlament den Rücktritt Papandreous. Erst danach könne es eine Übergangsregierung geben. Diese solle das internationale Hilfsprogramm unter Dach und Fach bringen, danach solle es Neuwahlen geben.

Papandreou signalisierte am Abend unter bestimmten Umständen seine Bereitschaft zum Rückzug. „Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl“, sagte Papandreou im Parlament. „Ich will nicht unbedingt wieder gewählt werden.“ Papandreou warf Samaras aber vor, Forderungen zu stellen, die nicht sofort umsetzbar seien. Das Land könne nicht so einfach auf Anhieb ohne Regierung bleiben. „Haben wir etwa eine Regierung parat hier vor der Tür?“, fragte Papandreou. Er erklärte sich bereit, weitere Gespräche mit der Opposition zu führen. Unter Umständen sei er sogar bereit, einen Schritt weiter zu machen.

Papandreou forderte die Abgeordneten seiner sozialistischen Fraktion auf, ihm am Freitagabend das Vertrauen auszusprechen, damit er weiter für die Bildung einer Übergangsregierung arbeiten könne. Papandreou allerdings hat im Parlament wegen einer zunehmenden Zahl an Abweichlern keine Mehrheit mehr. Sollte Papandreou die Vertrauensabstimmung verlieren, müssen binnen 30 Tagen Wahlen stattfinden.

Noch am Nachmittag hatte es in Athen nach einem Telefongespräch zwischen Papandreou und Samaras Hoffnungen gegeben, dass die Krise schnell beendet werden könnte. Es sah danach aus, dass das seit fast zwei Jahren pleitebedrohte Land nach vielen Monaten erbitterten innenpolitischen Streits vor einer „Regierung der Nationalen Rettung“ steht. Das Vorgehen von Samaras erinnert an die politische Krise in der Slowakei Mitte Oktober. Damals hatte die Opposition als Preis für die Zustimmung zum erweiterten Euro-Rettungsschirm den Rücktritt von Premierministerin Iveta Radicova sowie Neuwahlen gefordert.

Papandreou hatte zuvor gesagt, die Absage des Referendums sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass Gespräche mit der oppositionellen Nea Dimokratia (ND) zur Bildung einer Übergangsregierung zustande kommen. „Wir werden jetzt verhandeln“, sagte Papandreou. Der einzige Weg, damit Griechenland im Euroland bleibt, sei die Einhaltung der Vereinbarungen mit den Partnern in der EU.

Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, es sei nun dringend notwendig, sofort Verhandlungen mit der Troika von Internationalem Währungsfonds, EU und Europäischer Zentralbank aufzunehmen. Zudem müssten dringend bis zum 15. Dezember die Gelder der sechsten Tranche der Hilfe für Griechenland kommen.

Nach Informationen des Staatsfernsehens NET soll Papandreou eine politische Regierung aus seiner sozialistischen PASOK und der ND anstreben, die für etwa ein halbes Jahr die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Bei hochrangigen ND-Quellen hatte es zunächst geheißen, die Übergangsregierung solle aus Experten und nicht aus Politikern bestehen. „Diese Regierung wird das Land nur solange führen, bis das Hilfspaket unter Dach und Fach ist. Danach Neuwahlen“, sagte ein Mitarbeiter der ND der dpa. Diese Wahlen könnten sogar im Dezember stattfinden.

In Athen galten zunächst mehrere Szenarien als möglich: Die beiden Parteien könnten sich bis zu der für die Nacht zum Samstag angesetzten Vertrauensabstimmung einigen. Dann wäre dies eine Abstimmung über die neue Regierung. Als wahrscheinlicher galt aber, dass Papandreou das Vertrauensvotum verliert, ohne, dass er sich zuvor mit der Opposition einigt. Dann würde es Sondierungsgespräche unter Regie von Staatspräsident Karolos Papoulias geben mit dem Ziel, eine neue Regierung zu bilden.

Auch zahlreiche Minister und Abgeordnete der sozialistischen Regierungspartei PASOK forderten die Bildung einer „Regierung der Nationalen Rettung“. Mindestens zwei Abgeordnete erklärten nach Angaben des staatlichen Fernsehens, sie wollten Papandreou das Vertrauen verweigern. Demnach hätte Papandreou mit nur noch 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im Parlament.

Die ND unter Samaras hatte sich bisher strikt dem strammen und unpopulären Sparkurs Papandreous verweigert; er ist nötig, um im Gegenzug weiter internationale Milliardenhilfen zu bekommen, ohne die Griechenland Mitte Dezember pleite wäre.

In den griechischen Medien wurden bereits Namen möglicher Nachfolger Papandreous gehandelt. Darunter ist der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, wie der Athener Nachrichtensender Vima 99,5 berichtete.

Finanzminister Venizelos wandte sich in einer Erklärung offen gegen Papandreous Referendum-Plan: „Die Position des Landes ist im Euro(land). Es ist eine historische Errungenschaft des Landes und kann nicht infrage gestellt werden“. Papandreou hatte noch am Donnerstag dagegengehalten: „Ich glaube, das griechische Volk hat die Weisheit und das Wissen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den Verbleib des Landes in der Eurozone garantieren werden.“

Am Vorabend hatten Deutschland und Frankreich den Druck auf Griechenland massiv erhöht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderten das griechische Volk auf, schnellstmöglich über den weiteren Verbleib in der Eurozone zu entscheiden. Auch ein Austritt Athens aus der Währungsunion ist kein Tabu mehr. Sollte das griechische Volk die Auflagen und Forderungen des zweiten Hilfspakets ablehnen, werde man dies akzeptieren. „Aber wir werden auch den Euro nicht aufgeben“, sagte die Kanzlerin.

Merkel machte in der Griechenland-Krise auch am Donnerstag weiter Druck. „Für uns zählen Taten, nichts anderes“, sagte Merkel in Cannes mit Blick auf die Ereignisse in Athen. Das Land müsse die Reform- und Spar-Beschlüsse des EU-Gipfels umsetzen. Es sei derzeit nicht ersichtlich, wie das passieren könne. Auch die sechste Hilfszahlung in Höhe von acht Milliarden Euro könne erst fließen, wenn Griechenland zu seinen Verpflichtungen stehe.

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