Koalition stellt Weichen für schnelleren Atomausstieg

Berlin (dpa) - Mit dem Vorstoß aus der FDP zum endgültigen Aus für die acht derzeit stillgelegten Atommeiler leitet die Koalition offensichtlich schon jetzt eine schnellere Abkehr von der Kernenergie ein.

Die Union mahnte am Mittwoch zwar erneut, zunächst müsse das dreimonatige Moratorium zur Überprüfung der Atomkraftwerke abgewartet werden. Sie signalisierte aber Einigkeit in der Energiepolitik. „Die Energiewende mit dieser Koalition kommt“, sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der „Welt“: „Die Koalitionsspitzen sind sich im Ziel völlig einig: Es geht um einen beschleunigten Ausstieg.“ Die Industrie warnte unterdessen vor Stromausfall und Risiken für den Wohlstand.

CSU-Chef Horst Seehofer warb für einen überparteilichen Konsens, damit die Energiewirtschaft unabhängig von Bundesregierungen verlässlich planen könne. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält die politisch verfügte Stilllegung älterer Meiler für illegal. Die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen hätten „offensichtlich keine Rechtsgrundlage für das Moratorium“, sagte er der „Badischen Zeitung“. Die Betreiber hätten gute Erfolgsaussichten für eine Klage.

Die Bundesregierung hielt sich bedeckt, wie sie das Moratorium nutzen wird. So gab es keine Auskunft über das rechtliche Verfahren für den Fall, dass einige Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen. Ferner blieb unklar, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Forderungen nach einem schnelleren Atomausstieg trotz der Bitte um Zurückhaltung während des Moratoriums bewertet. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte: „Der Fahrplan steht, aber die Debatte läuft.“

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, sagte dem „Stern“, eine vorschnelle Energiewende könne den Wohlstand in Deutschland gefährden. „Wir müssen unglaublich aufpassen, dass in der Diskussion um die Atomenergie unser wirtschaftlicher Erfolg nicht unter die Räder kommt.“ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnte vor Stromausfällen. Die Ökoenergiebranche steht aber bereit, für die Atomkraftwerke in Deutschland einzuspringen: Mit Milliardeninvestitionen rüsten sich die Firmen für das atomfreie Energiezeitalter.

Seehofer sagte der „Zeit“: „Wir wollen noch in diesem Jahrzehnt unsere Energieversorgung so weit wie möglich umstellen. Das geht allerdings nicht in einem Alleingang der Regierung, sondern nur mit einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens.“ Es gehe um Milliardeninvestitionen, die für die Energieunternehmen nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen denkbar seien. „Die Energieversorger müssen darauf vertrauen können, dass nicht jede Bundesregierung wieder einen ganz neuen Kurs fährt.“

Saarlands SPD-Chef Heiko Maas forderte eine Volksabstimmung über den Atomausstieg. Die Bevölkerung solle auch darüber entscheiden, ob das Auslaufen der Kernkraft in Deutschland in der Verfassung festgeschrieben werden soll, sagte Maas der dpa.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte am Dienstag überraschend gefordert, die acht stillgelegten Meiler sollten nie wieder ans Netz gehen. Darüber solle schnell eine Vereinbarung mit den Betreibern geschlossen werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und NRW-Landeschef Daniel Bahr unterstützen diese Festlegung.

Altmaier sagte: „Durch die Äußerungen der FDP sind alle Zweifel beseitigt worden, dass die Regierung es mit dem Moratorium und der Energiewende ernst meint. Das ist eine wichtige Klarstellung in der politischen Debatte.“ Gleichwohl mahnte er: „Über technische, politische Einzelheiten, wie es nach dem Moratorium weitergeht, kann man naturgemäß erst entscheiden, wenn die Sicherheitsüberprüfungen stattgefunden haben.“

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) meinte allerdings: „Das eine ist eine vom Generalsekretär der FDP erklärte Auffassung. Das andere ist die Beschlusslage der Bundesregierung.“

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