Kann China das aggressive Nordkorea zügeln?

Peking (dpa) - China steckt in einem Dilemma. Der nordkoreanische Militärschlag gegen Südkorea setzt die aufstrebende Großmacht unter Zugzwang, seinen exzentrischen Nachbarn zur Vernunft zu bringen.

Kein Land steht Nordkorea näher als China, doch ist das Verhältnis höchst problematisch.

Nach außen beteuern beide Seiten zwar immer ihre historische Freundschaft, doch verhehlen chinesische Regierungsmitglieder hinter vorgehaltener Hand keineswegs ihre Enttäuschung, wie wenig Einfluss sie auf Nordkorea haben. Als direkter Nachbar sucht China vor allem Stabilität auf der koreanischen Halbinsel. Doch der skurrile Kim Jong Il schafft mit seinen Provokationen und nuklearen Ambitionen genau das Gegenteil.

„Das war kein Unfall“, gibt sich Shi Yinhong, Professor für internationale Beziehungen, nach dem tödlichen Granatfeuer auf Südkorea überzeugt. Die Ursachen für die plötzliche Eskalation sieht der renommierte Experte der Pekinger Volksuniversität in den ohnehin hohen Spannungen zwischen beiden Seiten und in der geplanten Nachfolge für Militärführer Kim Jong Il. „Sein Sohn Kim Jong Un braucht die Unterstützung der Armee“, sagt der Professor. „Er muss entschlossen auftreten und als neuer Führer Mut zeigen. Nur so kann er die Unterstützung der Militärelite gewinnen.“

Von einem Scheitern der chinesischen Vermittlungsbemühungen möchte der Professor aber nicht reden. „In dieser Welt sind viele Dinge kompliziert.“ Klar, eine Lösung gebe es nicht, muss Shi Yinhong aber zugeben. Zwar will auch China kein atomar bewaffnetes Nordkorea, aber immer wieder hat sich die Veto-Macht im Weltsicherheitsrat einer härteren Linie gegen Nordkorea widersetzt - selbst nach den Atomtests 2006 und 2009, dem Rausschmiss der Atominspektoren oder Nordkoreas Aufkündigung der Sechser-Gespräche über sein Atomwaffenprogramm.

Fast gebetsmühlenartig rief China zum Dialog mit Nordkorea auf, das sich derweil Atombomben bastelte. Auch nach dem Granatenangriff sagt der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Hong Lei, einmal mehr, jetzt seien neue Gespräche „zwingend erforderlich“. Die Sechser-Gespräche mit Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Japan und Russland sollten „so schnell wie möglich“ wieder aufgenommen werden - obwohl Pjöngjang weder an den Verhandlungstisch zurückkehren noch sich die Atombombe wieder abhandeln lassen wollte.

„Nordkorea hängt wirtschaftlich stark von China ab, aber in Sicherheitsfragen handelt Nordkorea häufig gegen den Willen Chinas, unternimmt Atomtests oder den Artillerieangriff“, sagt Shi Yinhong. „Das ist Chinas Problem - ein außergewöhnliches Phänomen in den Beziehungen zu Nordkorea.“ China fürchtet aber, dass schärfere Sanktionen zu Instabilität in dem verarmten Land führen könnten. „China kann einen Zusammenbruch Nordkoreas nicht hinnehmen“, warnt Shi Yinhong vor „zu vielen und zu schwierigen Problemen“.

China fürchtet nicht nur einen Strom von Flüchtlingen über die Grenze. Ein Kollaps des hungernden Nordkoreas und eine Wiedervereinigung nach deutschem Vorbild wäre für China auch keine Lösung. Würde Südkorea den Norden übernehmen, der China auch als Pufferzone dient, stünden amerikanische Truppen direkt an der chinesischen Grenze. Am liebsten möchten Pekings Führer deswegen den Status quo des geteilten Koreas bewahren, auch wenn sie wenig Sympathie für Kim Jong Il und seine Erbfolge empfinden.

Auch die Enthüllung der fortgeschrittenen Uran-Anreicherung in Nordkorea wirft für Peking unangenehme Fragen auf. Experten vom Institute for Science and International Security (ISIS) in Washington sind überzeugt, dass die Zentrifugen und andere Ausrüstung entweder in China gekauft oder über China nach Nordkorea transportiert wurden. „Es gibt keine Beweise, dass Chinas Regierung heimlich Exporte für Nordkoreas Zentrifugen-Programm billigt oder absichtlich ignoriert“, hieß es im Oktober in einem ISIS-Bericht. „Trotzdem setzt China nicht genug Ressourcen ein, um Nordkoreas illegalen Nuklearhandel zu entdecken und zu stoppen.“

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