Analyse : Jamaikanische Lockerungsübungen
Berlin (dpa) - Es sind ungewohnt umgängliche Töne, die Alexander Dobrindt vor der Parlamentarischen Gesellschaft anschlägt.
In den ersten Jamaika-Schnupperwochen hat sich der CSU-Landesgruppenchef mit Poltereien gegen den kleinsten möglichen Partner und dessen „Schwachsinnstermine“ beim Klima als Grünen-Fresser einen Namen gemacht. Und nun dies: „Es sind alle aufgefordert, dafür zu arbeiten, dass man näher zusammenkommt“, flötet der Mann in die Mikrofone. „Da haben alle eine große Verantwortung“ - also auch er selbst und seine Partei, die in der schwarz-gelb-grünen Runde wohl am meisten mit dem Experiment Jamaika fremdelt.
Auch FDP-Chef Christian Lindner macht nach den verkrampften ersten Jamaika-Wochen bei den Lockerungsübungen mit. Er sei zuversichtlich, dass es vor Ende nächster Woche eine klare Einschätzung geben könne, ob es zu den ersten schwarz-gelb-grünen Koalitionsverhandlungen im Bund kommen könne - oder nicht. Zwar will er seine Prognose nicht korrigieren, dass die Chancen für das exotische Bündnis bei 50 zu 50 stehen. Es müsse aber ja nicht immer sein, dass man erst in den frühen Morgenstunden wisse, ob man zueinanderkomme oder nicht.
Am 16. November, das hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klargemacht, soll das gemeinsame Jamaika-Sondierungspapier fertig sein, mit dem sich alle Seiten in ihren Reihen grünes Licht für offizielle Koalitionsgespräche holen sollen. Von einer quälend langen Nachtsitzung wird schon düster gesprochen.
Passend zu den Worten der Zuversicht hat Lindner gleich noch ein handfestes Signal für die Verhandlungspartner parat. Im „Spiegel“ bringt er ein Zweistufen-Modell der FDP zur Soli-Abschaffung wieder in die Diskussion, sozialer Faktor inklusive: Untere und mittlere Einkommen sollen zuerst entlastet werden. „Wir erinnern an unser Modell von 2015, den Soli im ersten Jahr für Einkommen bis 50 000 Euro entfallen zu lassen, im zweiten Jahr und noch vor der nächsten Wahl dann komplett.“
Das könnte auf jeden Fall der Union entgegenkommen. Und auch die Grünen - namentlich ihr Finanzverhandler Jürgen Trittin - hatten ein Stufen-Modell mit Vorteilen für kleine und mittlere Einkommen ins Gespräch gebracht. Unklar ist allerdings, ob sie den von der FDP verlangten kompletten Abbau des Soliaritätszuschlags in dieser Legislaturperiode mittragen würden.