Analyse Jamaika, nächste Runde: Nur die Ruhe

Berlin (dpa) - Man hört wenig von der Kanzlerin zur Zeit. Lächelnd geht sie die paar Schritte von der Limousine zur Tür der Parlamentarischen Gesellschaft, dorthin, wo CDU, CSU, FDP und Grüne um Leitlinien für eine Jamaika-Koalition ringen.

Analyse: Jamaika, nächste Runde: Nur die Ruhe
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Stunden später steigt sie dann meist wieder ins Auto, manchmal etwas angestrengt, immer, ohne etwas zu sagen. So geht das seit zwei Wochen, während Jamaika-Protagonisten wie Alexander Dobrindt, Jens Spahn, Christian Lindner, Wolfgang Kubicki, Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir oder Jürgen Trittin an wenigen Mikrofonen vorbeigehen. Muss die Kanzlerin nicht eingreifen?

Das tut sie. Am Verhandlungstisch sowieso. Um nach einer ersten Sondierungsrunde zu Klimaschutz und Migration mit ziemlich viel Aufregung für etwas mehr Ruhe zu sorgen, hat sie CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Lindner und die Spitzen-Grünen Özdemir und Göring-Eckardt in der Bayerischen Landesvertretung getroffen. Als vertrauensbildende Maßnahme sollte das dreistündige, geheime Treffen am Sonntagabend verstanden werden. Wohl mit Erfolg.

In die Sondierung am nächsten Morgen starten die möglichen Koalitionspartner jedenfalls ganz anders, als sie vergangene Woche auseinandergegangen sind. Lindner spricht in einem Facebook-Video vom „Mut-Montag“. Er meint das Thema Bildung, aber immerhin, das klingt positiv. Göring-Eckardt rät im Deutschlandfunk allen, „jetzt mal einen Gang runterzuschalten“. Seehofer sagt, man sei dabei, ein „Zukunftsprojekt (zu) formulieren“. Das sei nicht einfach und brauche eben Zeit. Dobrindt, der CSU-Provokateur, bleibt zwar in seiner Rolle, hofft aber auf „mehr Vernunft“ (bei den anderen).

Dass es nun als erstes um Bildung geht, passt gut zu den halbwegs geglätteten Wogen. Das Thema ist im Vergleich zu den dicken Brocken Migrations-Politik und Klimaschutz eher ein Kieselstein. Fast auf die Minute pünktlich nach zwei Stunden ist man denn auch erst mal durch. Und auch beim Thema Arbeit, Soziales, Rente und Pflege melden die Möchtegern-Koalitionäre um kurz nach 13.00 Uhr den Schluss der ersten Sondierungsrunde. Selbst beim Thema innere Sicherheit, kein Selbstsläufer, loben Teilnehmer die sachliche Atmosphäre.

Als die Generalsekretäre am frühen Abend erstmals auftauchen, um Ergebnisse zu Bildung und Digitalisierung vorzustellen, hört man sie gemeinsam lachen, bevor sie zu sehen sind. Die Einigung auf mehr Investitionen in Bildung und Forschung scheint alle zufriedenzustellen. Die „Denkpause“ seit vergangenem Donnerstag habe gut getan, sagt Andreas Scheuer, CSU. „Der Pulverdampf vom letzten Donnerstag ist verflogen“, sagt Michael Kellner, Grüne. Eine „sehr aufgeräumte Arbeitsatmosphäre“ lobt Nicola Beer, FDP. Und Peter Tauber von der CDU betont: „Wir arbeiten in aller Ruhe.“

Drei Stunden später eine ähnliche Szene, ein bisschen müder wirken die vier jetzt schon. Und auch inhaltlich nicht ganz so einig - beim Sozialen hakt es eben doch hier und da, und beim Thema Sicherheit sowieso, da ist Datenschutz nur eines von vielen Stichworten. Immerhin: Die Bemerkungen zur möglichen Cannabis-Legalisierung wirken einigermaßen humorvoll. Es habe ihn schon jemand nach einem Joint gefragt, erzählt Kellner - und derjenige sei weder von den Grünen noch von der FDP gewesen.

Zur großen „Reflexionsrunde“, für die sich mehr als 50 Sondierer zusammengesetzt hatten, gibt es erst mal keine Auskunft. Die war als eine Art Erfahrungsaustausch gedacht - auch das ein Weg, das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Allerdings kann der insgesamt freundliche Ton nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei den Inhalten extrem schwierig bleibt. Am Donnerstag sollen die beiden bisher größten Streitthemen, bei denen die Verhandler sich am schlimmsten in der Wolle hatten, wieder auf den Tisch kommen: Klima und Migration. Dann dürfte sich zeigen, ob die Parteien wirklich aufeinander zugehen, oder ob es wieder kracht. Kompromisslinien sind da bisher nicht in Sicht.

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