Interview: Verlassen des Schiffes „ungeheuerlich“

Bremen/Bad Orb (dpa) - Der Kapitän des vor der italienischen Insel Giglio havarierten Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“, Francesco Schettino, gerät immer mehr unter Druck. Auch Kollegen sehen sein Verhalten kritisch.

Heinz Aye fuhr 25 Jahre lang als aktiver Kapitän auf Passagierschiffen, darunter „World Discoverer“, „Hanseatic“ und „Bremen“. Seit 2001 fährt Mann aus Bad Orb im Main-Kinzig-Kreis als Eis-Kapitän zur See und jährlich zwei bis dreimal in die Arktis und Antarktis.

Wie bewerten Sie, dass der Kapitän weit vor den Passagieren das Schiff verlassen hat?

Aye: „Es ist ungeheuerlich, dass ein Kapitän sein Schiff vor dem sicheren Ausbooten der Menschen an Bord verlässt. Er hat laut Flaggenrechtsgesetz die Verantwortung. Egal ob ein Passagier oder 1000 Container an Bord sind. Der Kapitän muss aber nicht mit seinem Schiff untergehen.“

Wächst die Verantwortung mit der Größe der Schiffe und der Anzahl der Passagiere?

Aye: „Passagiere sind lebendige Ladung auf zwei Beinen. Die Verantwortung bleibt unverändert - Tag und Nacht vom ersten Schritt auf die Gangway bis zum letzten Step von der Gangway, egal ob ein Gast oder 4000 Gäste.“

Gehört der Aspekt zum Unterricht?

Aye: „An jeder Nautischen Akademie wird das Thema Verantwortung und Sicherheit ausführlich unterrichtet. 4000 Menschen von Bord zu bringen, ist eine Zeitfrage. Das Ausbooten ist mit der Besatzung eine immer wiederkehrende Übung, die gesetzlich verankert ist.“

Ist die Verantwortung auch eine Last?

Aye: „Ich liebe es, viele Kontakte zu den Gästen zu knüpfen, das Strahlen und die Freude in den Gesichtern zu erleben. Ich trage gern Verantwortung. Das belastet mich nicht im Geringsten.“

Kapitän Aye ist derzeit mit der „Le Boreal“ auf seiner 118. Antarktisreise und auf dem Rückweg nach Ushuaia (Argentinien).

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