Interview: „Man muss um Überleben der Demokratie fürchten“

Bangkok (dpa) - Thailand gilt mit aufstrebender Wirtschaft und gehobenen Einkommen als stabiles Land. Doch wird der politische Machtkampf jetzt mit Straßenprotesten ausgefochten.

Interview: „Man muss um Überleben der Demokratie fürchten“
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Demonstranten wollen die Regierung mit einer Blockade Bangkoks in die Knie zwingen. „Es ist schon erstaunlich, dass wir im Jahr 2014 ernsthaft um das Überleben der Demokratie in Thailand fürchten müssen“, sagt der in Bremen geborene thailändische Blogger Saksith Saiyasombut in einem dpa-Interview.

Frage: Hat die Regierung unter Yingluck Shinawatra - Schwester des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra - mit ihrer Regierungsführung gegen demokratische Prinzipien verstoßen?

Antwort: Im Prinzip nein. Dennoch muss man anmerken, dass ihre Regierung und die Vorgängerregierungen der Thaksin-nahen Parteien - wie die meisten anderen - korrupt sind und nicht aus purem Altruismus handeln. Das sah man daran, mit welcher Dreistigkeit die Regierung Yingluck ein Amnestiegesetz durchpeitschen wollte, von dem auch ihr Bruder Thaksin profitiert hätte, der aus dem Exil immer noch einen erheblich Einfluss auf die Regierungspartei hat.

Frage: Steht Suthep mit seinem „Demokratischen Reformkomitee des Volkes“ (PDRC) und der Forderung nach einem ungewählten Volksrat auf demokratischem Boden?

Antwort: Nein. Seine Bewegung mag zwar „demokratisch“ im Namen tragen, aber die Pläne für „Reformen vor Wahlen“ und diesen ernannten Technokraten-Volksrat sind vage formuliert. Sie sind aber deutlich genug, um zu erkennen, dass es sich nicht um eine demokratische Reformbewegung handelt, sondern eine anti-demokratische Gruppe, die mit aller Macht das (vermeintliche) Machtmonopol der Partei Yinglucks verhindern will - auch auf Kosten der Demokratie selbst.

Frage: Warum fechten die politischen Lager ihre Differenzen nicht im Parlament aus?

Antwort: Weil die Opposition den Glauben verloren hat, in einem demokratischen Rahmen an die Macht zu kommen. Der Frust, den man jetzt auf den Straßen sieht, ist das Ergebnis von 20 Jahren Wahlniederlagen. Dazu kommt, dass sie es verpasst hat, sich einer wandelnden politischen und sozialen Landschaft anzupassen und die Bevölkerung außerhalb der Hauptstadt Bangkoks, gerade die im Norden und Nordosten, weiter als ungebildete, käufliche Bauern beschimpft.

Frage: Wie kann Thailand den tiefen politischen Graben überwinden?

Antwort: Schwierig. Auf der einen Seite haben wir eine beliebte Regierungspartei, die bei aller Vetternwirtschaft und Korruption - wohl unfreiwillig - das politische Bewusstsein der Bevölkerung erweckt hat. Auf der anderen haben wir eine Gruppe, die all das wieder rückgängig machen will. Das Land ist seit Jahren tief gespalten und die politisch-ideologischen Gräben sind sehr groß, da keiner zu Kompromissen bereit ist. Es hilft auch nicht, dass das Militär - seit jeher ein unberechenbarer und unabhängiger Akteur - einen Putsch nicht ausschließen will.

(Saksith Saiyasombut (27) wurde in Bremen geboren. Seit 2010 schreibt er für den Blog „Siam Voices“ auf dem Nachrichten- und Analyseportal AsianCorrespondent.com über thailändische Politik. Er macht zur Zeit an der Universität Hamburg seinen Magister in Südostasienstudien.)

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