Immer noch Hoffnung auf Schlichtung bei der Bahn

Berlin/Frankfurt (dpa) - Der Tarifkonflikt bei der Bahn spitzt sich immer mehr zu. Die Lokführer dehnten ihre mittlerweile neunte Streikwelle auf den Personenverkehr in ganz Deutschland aus und behinderten damit erneut die Reisepläne von Millionen Fahrgäste.

Zum mittlerweile achten Mal in dieser Tarifauseinandersetzung sind die Lokführer der GDL in Streik getreten.

Zum mittlerweile achten Mal in dieser Tarifauseinandersetzung sind die Lokführer der GDL in Streik getreten.

Foto: Kay Nietfeld

Parallel liefen vertrauliche Gespräche zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL über den Einstieg in eine Schlichtung weiter, ohne dass zunächst ein Ergebnis bekanntwurde. Bei den Gesprächen auf Spitzenebene sollte der ehemalige Bundesarbeitsrichter Klaus Bepler als unabhängige Instanz helfen. Mit Blick auf den Streik und das bevorstehende Pfingstwochenende warnten Verkehrsexperten vor Rekord-Staus auf den Autobahnen.

Für zusätzlichen Druck im Kessel sorgt die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die an diesem Donnerstag mit der Bahn in Berlin einen Tarifabschluss erreichen will. Anderenfalls droht auch sie mit einem Arbeitskampf. Die Bahn müsse noch einmal nachlegen, forderte Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba. „Die angebotenen 4,7 Prozent sind uns zu wenig, die vorgeschlagene Laufzeit von 29 Monaten ist zu lang.“ Die GDL will die von der EVG ausgehandelten Vorgaben für einzelne Berufsgruppen nicht für die eigenen Tarifverträge akzeptieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich nicht in den Tarifkonflikt einschalten. „Als Bundesregierung - mit Blick auf die Tarifautonomie - mischen wir uns da nicht ein“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Die Lokführer waren in der Nacht zum Mittwoch um 2.00 Uhr auch bei den Personenzügen in den Ausstand getreten. Seit Dienstagnachmittag wird bereits der Güterverkehr bestreikt. Die Bahn spricht von einem unbefristeten Streik. Das weist die GDL zurück. Sie nennt aber bislang kein Streik-Ende, sondern will es 48 Stunden zuvor mitteilen.

Wie in den vorangegangenen Streikrunden stellte die Bahn Ersatzfahrpläne auf. Dem Unternehmen zufolge rollte im Fernverkehr etwa ein Drittel der sonst üblichen Züge. Im Regionalverkehr würden je nach Bundesland 15 bis 60 Prozent des üblichen Verkehrs angeboten. Auch über das Pfingstwochenende werde stabil nach Ersatzfahrplan gefahren, kündigte die Bahn an.

Über das lange Wochenende drohen nicht nur wegen des Bahnstreiks hohe Preise für Mietwagen, volle Fernbusse und Rekord-Staus auf den Straßen. „Alle Zutaten dafür sind da“, sagte Stauforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen. Der Freitag vor dem langen Pfingstwochenende sei ohnehin der staureichste Tag des Jahres, denn die meisten Urlauber starteten dann in den Kurztrip, weil es sich sonst nicht lohne.

Auf die Autofahrer komme ein Szenario zu, das „wir so noch nie hatten“. Schreckenberg rechnet mit langen Staus rund um Köln, Frankfurt, München und Hamburg. Er rät den Fahrern dennoch, auf der Autobahn zu bleiben. „Wenn nur zehn Prozent der Autos abfahren, sind die Nebenstrecken meist schon überlastet. Mit der Verbreitung von Navis sind die Ausweichrouten noch schneller voll.“

GDL und Bahn bestätigten, dass sie die am Dienstag begonnenen Gespräche über einen Schlichtungseinstieg am Mittwoch fortgesetzt hätten. „Die sind vertraulich, und mehr gibt's dazu aktuell nicht zu sagen“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky dem Fernsehsender n-tv. Auch eine Bahnsprecherin verwies auf die vereinbarte Vertraulichkeit. Bei den Gesprächen in Frankfurt sollte ausgelotet werden, unter welchen Bedingungen ein Schlichtungsverfahren in Gang gesetzt werden kann.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte im Sender NDR2, Bahn und GDL lägen nach seiner Einschätzung nah beieinander. Insofern könnte ein Tarifabschluss in den nächsten Tagen gelingen. Die GDL müsse aber die Vorstellung überwinden, dass sie sich im Bahnkonzern „breitmachen könne“ für alle Beschäftigtengruppen, die sie zum Teil gar nicht organisiere.

Der Chef des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, sagte im Deutschlandfunk, er „baue ganz fest darauf“, dass die Beteiligten zusammen mit dem Arbeitsrechtler Bepler „die Grundlagen für eine Schlichtung endlich schaffen“. Weselsky blieb bei seiner Haltung, dass ein Schlichtungsverfahren erst dann möglich sei, wenn die Bahn akzeptiere, dass die GDL eigenständige Tarifverträge für alle ihre Mitglieder abschließen dürfe. „Ich erwarte nicht, dass wir über Nacht den Tarifvertrag fertig haben“, stellte Weselsky klar.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kritisierte das Verhalten der GDL als „Anschlag auf die Tarifautonomie in Deutschland“. Bei ihrem Ausstand gehe es der GDL vorrangig um Machtinteressen - nicht um das Erzielen eines Tarifkompromisses.

Nach Konzernangaben von Anfang Mai belastet der Streik die Bahn-Bilanz täglich mit zehn Millionen Euro. Dies sei die Summe aus Einnahmeausfällen im Personen- und Güterverkehr sowie Kosten etwa für Ersatzfahrpläne und Kundeninformation. Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Jens Schwarz, hatte die Umsatzverluste der Bahn auf rund 100 Millionen Euro Umsatz pro Tag beziffert.

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