Hintergrund: Mögliche Anwärter auf die Nachfolge

Rom (dpa) - Bei der Papst-Wahl im März wünschen sich viele Italiener, dass nach einem polnischen und einem deutschen Pontifex wieder ein Landsmann auf den Stuhl Petri steigt. Allerdings könnte der Nachfolger von Benedikt XVI. auch aus Afrika oder Lateinamerika kommen - viele sagen, es sei an der Zeit für einen Papst, der nicht aus Europa kommt.

Eine Auswahl von aussichtsreichen Kardinälen:

EUROPA

- Oft genannt wird der Mailänder Erzbischof Angelo Scola. Der 71-Jährige aus der Lombardei ist ein geschätzter Theologe und vor allem auch ein Mann des interreligiösen Dialogs. Scola steht dem scheidenden Papst Benedikt nahe, der ihn zum Erzbischof im wichtigen Erzbistum Mailand machte. Der Italiener galt bereits 2005 als „papabile“ (papsttauglich), als dann Joseph Ratzinger zum Kirchenoberhaupt gewählt wurde. Als Erzbischof hat Scola wohl noch größere Chancen.

- Kardinal Gianfranco Ravasi ist 70 und stammt ebenfalls aus der norditalienischen Lombardei. Ravasi ist Präsident des päpstlichen Kulturrates und hat auch andere Aufgaben im Vatikan inne. Der Theologe und Bibelfachmann gilt wie der scheidende Papst als Intellektueller. Ravasi hat eine ganze Reihe von Büchern zu Bibelthemen veröffentlicht und schreibt für italienische Zeitungen. Er gilt auch als Experte für das Judentum.

- Auch Kardinal Angelo Bagnasco wird als möglicher italienischer Papst genannt. Der 70-jährige Bagnasco ist Erzbischof in der ligurischen Metropole Genua und als Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz allzeit in den Medien Italiens präsent. Papst Benedikt XVI. machte ihn im Jahr 2007 sowohl zum Chef der italienischen Bischöfe wie auch zum Kardinal. Bagnasco wird vor allem Spiritualität bescheinigt. Er stammt aus Pontevico bei Brescia.

- Tarcisio Bertone war Benedikts „Regierungschef“ und ist im Vatikan nicht unumstritten. Der aus der Region Turin stammende Bertone ist 78 Jahre alt und als Kardinalstaatssekretär so etwas wie die rechte Hand des Papstes. Bertone gilt als volksnah und aufgeschlossen. Er ist seit 2007 auch Camerlengo (Kardinalkämmerer).

- Dem Wiener Erzbischof Christoph Schönborn (68) werden Außenseiterchancen eingeräumt. In Glaubensfragen zeigt sich der Kardinal konservativ und hält Rom die Treue. Trotzdem gilt er als weltoffen und charismatisch. Dass erneut ein deutschsprachiger Kirchenmann Oberhaupt der Katholiken wird, gilt aber als unwahrscheinlich. Zum Krisenmanager wurde der Theologe bei der Ernennung zum Wiener Erzbischof 1995. Zuvor musste sein Vorgänger wegen Missbrauchsvorwürfen abtreten. Als Redakteur für den Katechismus der Katholischen Kirche machte er sich kirchenintern einen Namen.

- Peter Erdö (60) aus Ungarn gilt als versierter Theologe konservativer Ausrichtung. Er studierte unter anderem Kanonisches Recht an der Päpstlichen Lateranuniversität zu Rom. Sein Aufstieg an die Spitze des ungarischen Klerus erfolgte schlagartig und überraschend: 2000 weihte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof, 2002 ernannte er ihn zum Erzbischof von Esztergom-Budapest und ungarischen Primas, 2003 kürte er ihn zum Kardinal. Als Präsident der Europäischen Bischofskonferenz (seit 2006) ist er auch international gut vernetzt. Erdö steht für einen konservativen Katholizismus, dessen Erscheinungsbild er angeblich behutsam modernisieren will.

AFRIKA

- Kardinal Francis Arinze ist im Vatikan hoch geachtet. Der erfahrene, lebenskluge Nigerianer diente schon Johannes Paul II. als Berater. Allerdings ist der Kardinal schon 80 Jahre alt. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde erst auf einer irischen Missionsschule getauft, später Priester und mit 32 Jahren damals der weltweit jüngste Bischof. Der beliebte Geistliche, der früher Fußball und Tennis spielte, ist in Fragen von Familie und Sexualität eher konservativ.

- Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson (64) aus Ghana gilt als volksnah und mediengewandt. Der selbstbewusste Kardinal, der neben fünf anderen Sprachen auch gut deutsch spricht, ist als Leiter des vatikanischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit seit 2009 so etwas wie das soziale Gewissen der Kirche. Der Ghanaer kann kaum als „konservativ“ oder „reformorientiert“ beschrieben werden. Er ist distanziert zu manchen Emanzipationsbestrebungen von Minderheiten wie Homosexuellen. Seine Skepsis gegenüber dem Islam ist angesichts des Vordringens von Extremisten in Afrika gewachsen.

LATEINAMERIKA

- Dom Odilo Pedro Kardinal Scherer leitet in der brasilianischen Millionenmetropole São Paulo als Erzbischof die größte Diözese im zahlenmäßig größten katholischen Land der Welt. Der 63-Jährige gehört zu Lateinamerikas aussichtsreichsten Kandidaten. Er ist Nachkomme deutscher Einwanderer aus dem Saarland, gradlinig, konservativ und hochgebildet. In den Kardinalsstand wurde er im November 2007 berufen. Sein Wappen ziert den Spruch: „In meam commemorationem“ („Tut dies zu meinem Gedächtnis!“). Auf Reisen durchs Land ermuntert „Dom Odilo“ die Menschen oft mit den Worten: „Bleibt standhaft. Força! (Kraft)“.

- Der Brasilianische Kardinal João Kardinal Braz de Aviz (65) ist für seine offene Sprache und klare Predigten bekannt. Der frühere Erzbischof der Hauptstadt Brasília prangerte mehr als einmal die Korruption in seinem Land an. Papst Benedikt XVI. berief ihn Anfang 2012 zum Kardinal. „Dom João“ ist in Rom Präfekt der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens (Ordenskongregation). Sein Wappen ziert den Spruch aus dem Johannes-Evangelium (17,21) „Omnes unum sint“ (Alle sollen eins sein). Er entstammt einer Großfamilie und spricht neben Latein und Portugiesisch auch Deutsch, Spanisch und Englisch.

- Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga aus Honduras ist seit seiner Berufung zum Kardinalsstand 2001 eine der herausragenden Persönlichkeiten der Kirche Lateinamerikas. Der 70-jährige Salesianer hat sich in seinem Land für die Rechte der Armen und gegen Korruption eingesetzt. Allseits anerkannt, wird er oft bei Konflikten als schlichtende Figur aufgesucht. Theologisch ist er eher konservativ, aber gesprächsoffen. Der in Rom ausgebildete Theologe studierte auch Musik in New Jersey und Psychologie in Innsbruck. Er spricht neben Spanisch und Latein auch Portugiesisch, Französisch, Englisch, Deutsch und Italienisch.

NORDAMERIKA

- Kanadas Kardinal Marc Ouellet (68) spricht viele Sprachen, gilt als scheu und in theologischen Fragen als konservativer Hardliner. Er wird Beobachtern zufolge von Papst Benedikt XVI. wegen seiner Intellektualität, seiner Integrität und seiner tiefen Spiritualität enorm geschätzt. Als eines von acht Geschwistern wuchs der Eishockey-Fan im französischsprachigen Teil Kanadas auf und studierte und arbeitete dann unter anderem in Deutschland, Österreich und Kolumbien. Außerdem leitete er die Erzdiözese Quebec und diente in verschiedenen Positionen im Vatikan. Papst zu sein wäre für ihn nach eigenen Angaben ein Alptraum.

- New Yorks Erzbischof Timothy Dolan gilt als Konservativer mit viel Witz. „Ich kann mich an keinen Moment erinnern, in dem ich nicht Priester werden wollte“, sagte er einmal. Das älteste von fünf Kindern eines Flugzeugmechanikers könnte jetzt sogar als erster Amerikaner Papst werden. Der 63-Jährige ist seit 2009 Erzbischof von New York, seit 2010 Vorsitzender der US-Bischofskonferenz und seit 2012 auch Kardinal. Für das Magazin „Time“ gehört er zu den „100 einflussreichsten Menschen der Welt“. Der Konservative wettert gegen Schwulenehe und Abtreibung, sucht aber auch immer wieder Kontakt zu Menschen anderen Glaubens. Gefragt, ob auch Jesus Humor habe, sagte er: „Na klar. Er hat mich zum Priester erwählt!“

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