Polizei fordert Verstärkung an Hamburg unter Schock: „Es war wie im Krieg“

Hamburg (dpa) - „Es war schlimm, es war wie im Krieg“, sagt Sandra P.. Die 42-Jährige wohnt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern an der noblen Hamburger Elbchaussee. Die Szenen der Nacht wird die Familie so schnell nicht vergessen.

Polizei fordert Verstärkung an: Hamburg unter Schock: „Es war wie im Krieg“
Foto: dpa

Vor ihrem Haus hätten mehrere Autos gebrannt, die Flammen seien auf eine Baufolie übergegangen - „und unser Haus stand auch kurz in Flammen“. Zum Glück sei alles gelöscht worden. Aber: „Wir mussten das Haus verlassen und standen dann auf der Straße im Schlafanzug. Das war ein ziemlicher Schock am Morgen.“

Polizei fordert Verstärkung an: Hamburg unter Schock: „Es war wie im Krieg“
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Hamburg hat bereits eine heftige Krawallnacht hinter sich. Und diese Nacht markiert erst den Anfang. Im Laufe des Tages eskaliert die Gewalt weiter. Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei, Sitzblockaden, brennende Autos, zerstörte Geschäfte, beschädigte Streifenwagen - an vielen Orten der Stadt gibt es zum Auftakt des G20-Gipfels chaotische Bilder. Noch am Vormittag bittet die Polizei um Verstärkung aus anderen Bundesländern.

Aaron P., ebenfalls Bewohner der Elbchaussee, weckten „laute Knalle und Schreie“. „Unten liefen 200 Mann schwarzer Block lang, meinte zumindest die Polizei, und haben Scheiben an Autos eingeschlagen und Brandsätze reingeworfen“, erzählt der 24-Jährige. Mit Feuerlöschern hätten er und andere Anwohner selbst gelöscht, die Feuerwehr sei erst 50 Minuten später eingetroffen. „Natürlich hatte ich Angst, vor allem um mein Auto.“

Anderswo in der Hansestadt ist es dagegen fast schon gespenstisch still: Straßen sind entweder ganz oder nur für die An- und Abreise der Staats- und Regierungschefs zum Tagungszentrum Messegelände gesperrt, Radfahrer haben freie Fahrt, Busse machen vor der Innenstadt kehrt. Es sind vollkommen gegensätzliche Bilder, die Hamburg zum G20-Gipfel liefert.

"Apocalypse Now" - G20-Randale in Hamburg
34 Bilder

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Im Schanzenviertel etwa, Schauplatz der Vornacht, könnte es am Freitagmorgen ruhiger kaum sein. Die Spuren der gewalttätigen Ausschreitungen bei der „Welcome to hell“-Demonstration sind noch zu sehen. Aber die Stadtreinigung dreht bereits ihre Runden durch die Straßen um das linksautonome Zentrum „Rote Flora“. Ganze Straßenzüge waren mit Glasscherben und herausgerissenen Pflastersteinen bedeckt, Bankautomaten demoliert.

Einige Stunden später sitzen Bewohner und Touristen vor den Straßencafés des Viertels und genießen den zumindest hier friedlichen Sommermorgen. Der Energieelektroniker Björn M. aus Hannover steht derweil vor seinem Mietwagen mit zertrümmerten Scheiben. Den gebuchten Tiefgaragenplatz habe er am Vortag nicht mehr erreichen können, weil alles abgesperrt gewesen sei. „Ich könnte kotzen!“, sagt der 43-Jährige. „Demonstration ja, aber nicht auf diese Weise!“

Zerstörte Autos am Freitagmorgen auch in Altona: Im Innenraum eines Wagens, den Unbekannte angezündet haben, kokelt es noch, es riecht nach verkohltem Kunststoff. Bei einem anderem, ein älterer Kleinwagen, keine Statussymbol sind die Scheiben eingeschlagen. Es sei sehr schnell gegangen, sagt der Besitzer. Etwa 100 Maskierte seien es gewesen, mit Bengalos, Hämmern und weiterer Ausrüstung, sagt der Polizist, der die Schäden aufnimmt.

„Hier sind gerade so viele Kinder zur Schule gegangen“, sagt ein Anwohner. Er ist aufgebracht, es sei auch der Schulweg seiner Kinder. „Die haben ohne zu gucken Feuerwerk (gemacht) und alles in die Straße reingeworfen“, berichtet er. Das habe mit politischen Ansichten nichts mehr zu tun.

Mehr als 19 000 Polizisten schützen das G20-Treffen, am Freitag kommt weitere Verstärkung. „Keinen einzigen habe ich in der Nacht in unserer Straße gesehen“, berichtet Carmen Meins, die seit 52 Jahren im Schanzenviertel lebt und in einer Nebenstraße wohnt. „Die jagen die Demonstranten alle in die kleinen Gassen, aber von der Polizei sieht man nix“, sagt sie, während sie die Scherben vor dem Haus zusammenfegt. „So schlimm habe ich das noch nie erlebt. Das war wie ein kleiner Krieg.“

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