Gutachten: Rüstungsprojekte verzögert und verteuert

Berlin (dpa) - Nach einem verheerenden Zeugnis für den Rüstungssektor der Bundeswehr hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einschneidende Konsequenzen angekündigt.

„Ich stelle mich da auf eine lange, harte Aufgabe ein“, sagte die CDU-Politikerin am Montag nach Entgegennahme eines Expertengutachtens, das 140 Risiken und Probleme bei den größten Rüstungsprojekten auflistet. Unter anderem sollen die Meldewege im Ministerium verkürzt und die Vertragsabteilung gestärkt werden.

Als eine der ersten konkreten Projektentscheidungen kündigte von der Leyen an, die vor einem Jahr aus dem Verkehr gezogene Skandal-Drohne „Euro Hawk“ zu reaktivieren - allerdings nur für einige Testflüge.

Ihrem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) gab die Ministerin keine Schuld am schlechten Zustand des Rüstungssektors. Er habe die richtigen Strukturreformen auf den Weg gebracht. „Die Richtung stimmt.“ Es müssten aber nicht nur Strukturen verändert werden, es müsse sich auch im Umgang mit Fehlern und Risiken einiges tun. „In so großen Projekten gehen Dinge schief, man muss nur frühzeitig darauf hinweisen“, sagte sie.

Das 1200 Seiten starke Gutachten stellt dem Rüstungssektor der Bundeswehr teilweise miserable Noten aus. Nach Erkenntnissen der Experten haben sich die neun größten Projekte zwischen zweieinhalb und zehn Jahre verzögert. Fast alle wurden im Laufe der Zeit teurer. Teilweise liegen die zusätzlichen Kosten im Milliardenbereich.

Die Experten sehen die Gründe für diese Probleme auch in der bisherigen Führungskultur des Ministeriums. Im Gutachten heißt es dazu: „Das Management von Rüstungsprojekten verlangt eine Führungskultur, in der Transparenz und Integrität gelebt werden.“ Außerdem müssten die Regierungsbeamten lernen, bei der Auftragsvergabe an Rüstungskonzerne Anreize zu setzen, Sanktionen durchsetzen und sich auch „juristisch auf Augenhöhe“ mit den Anbietern zu bewegen.

Allerdings sehen die Gutachter auch bei der Industrie massive Probleme. So würden die Preise am Anfang eines Projekts durchweg zu niedrig angesetzt, um dann Schritt für Schritt erhöht zu werden.

Kritiker forderten, von der Leyen müsse nun endlich liefern. „Mit dem heutigen Tage ist die Zeit der Ausreden für Ursula von der Leyen vorbei“, sagte SPD-Generalsekretär Yasmin Fahimi. Die Ministerin müsse nun zeigen, ob sie das „Chaos bei der Bundeswehr“ in den Griff bekomme. Ähnlich äußerten sich die Grünen.

Weitere Personalveränderungen auf Spitzenpositionen sind jedoch nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium nicht vorgesehen. Die Unternehmensberatung KPMG, die Ingenieurgesellschaft P3 und die Anwaltskanzlei Taylor Wessing hatten im Auftrag der Ministerin drei Monate lang den Rüstungsbereich durchleuchtet. Zuvor hatten sich Berichte über Kostensteigerungen, Verzögerungen und Ersatzteilprobleme bei mehreren Waffensystemen gehäuft. Die Ergebnisse einer ersten, internen Überprüfung fand die Ministerin nicht überzeugend.

Zur Entwicklung einer Drohne für die Bundeswehr erklären die Gutachter, es sei klar, dass eine Serienreife des „Euro Hawk“ niemals erreicht werde. Es wird daher weiter nach einem anderen Trägersystem für die Aufklärungstechnologie gesucht. Im Gespräch ist die Schwester-Drohne des „Euro Hawk“, „Triton“, vom selben Hersteller Northrop Grumman.

Im vergangenen Jahr hatte der damalige Verteidigungsminister de Maizière die Entwicklung des „Euro Hawk“ wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den deutschen Luftraum und drohender Mehrkosten von 500 bis 600 Millionen Euro gestoppt. Seit zwölf Monaten steht die Drohne nun ungenutzt im Hangar. Der „Euro Hawk“ hat den Steuerzahler bis zum Abbruch des Projekts bereits 600 Millionen Euro gekostet, davon 288 Millionen für die Aufklärungstechnik.

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