Geschäfte verbarrikadiert „G20 nervt“ - Ruhe vor dem Sturm in Hamburg

Hamburg (dpa) - Die Anspannung ist zum Greifen. Auf allen Seiten. Polizisten sind in Alarmstimmung, die G20-Gegner empört und von den ersten größeren Auseinandersetzungen aufgestachelt, Familien extra verreist, Geschäfte verbarrikadiert und ganze Straßenzüge vom Blau-Silber der Polizei dominiert.

Geschäfte verbarrikadiert: „G20 nervt“ - Ruhe vor dem Sturm in Hamburg
Foto: dpa

Dazu dröhnt das Knattern der Hubschrauber im Hamburger Himmel - und dies alles schon bevor es an diesem Donnerstag bei einer Demonstration mit bis zu 8000 erwarteten gewaltbereiten Linksautonomen heißt: „G20 - Welcome to Hell“.

Einen Vorgeschmack auf das, was Hamburg droht, war am Dienstagabend zu sehen. Ein friedliches „Massencornern“, bei dem Hunderte Menschen auf den Straßen biertrinkend gegen den G20-Gipfel demonstrierten, artete in den Stadtteilen St. Pauli und Altona in wüste Szenen aus.

Die Polizei setzte Wasserwerfer und Pfefferspray ein - nach Meinung vieler Anwohner und Demonstranten ein zu hartes Vorgehen. „Die sind alle zurecht stinkwütend“, sagt die Restaurantbetreiberin Jill Bittner (33). „G20 nervt, weil es einen privat wie beruflich einschränkt und Aggressionen auslöst.“

Damit fasst die Gastronomin bei einem Streifzug durch die Schanze und das benachbarte Karoviertel unweit der Messehallen die Stimmung vieler Menschen zusammen. In den traditionellen linken Stadtteilen sind US-Präsident Donald Trump und Co. nicht willkommen - das ist am Mittwoch überall zu sehen. Fast jedes Geschäft distanziert sich mit Bannern, Plakaten oder selbstkreierten Sprüchen vom G20-Gipfel. „Das möchten wir nicht“ heißt es in einem Fenster, dazu die Konterfeis der erklärten Lieblingsfeinde Trump, Putin und Erdogan.

Es sei unverantwortlich, dass sich die Staats- und Regierungschefs „in der linkesten Hochburg Deutschlands“ treffen, sagt Anwohnerin Aaliyah (22). „Ich habe Angst. Ich fahre weg.“ Die Mitarbeiterinnen des Blumenladens „Grüne Flora“ sind einfach nur genervt. Sie machen während der heißen Protesttage am Donnerstag und Freitag zu. Dafür hätten sie Aufträge stornieren und für Hochzeiten absagen müssen, klagt eine Mitarbeiterin. „Und das ersetzt uns keiner.“ Auch viele Kitas, Cafés und Boutiquen bleiben in der Schanze geschlossen. Und auch ein großes Kino am Dammtor-Bahnhof macht zwei Tage zu.

In der Innenstadt ist der G20-Gipfel ebenfalls omnipräsent, Plakate mit geänderten Öffnungszeiten hängen an Türen, einige Schaufenster von Kaufhäusern sind mit Holzplatten vernagelt. Doch hier befürchten die Gewerbetreibenden weniger Ausschreitungen als vielmehr drastische Umsatzeinbußen. „Es ist eine wirtschaftliche Katastrophe“, sagt Replay-Storemanagerin Stefanie (30) am Gänsemarkt. Der Tenor der Kunden sei gewesen: „Da kann man ja nicht in die Stadt gehen und sich frei bewegen.“

City-Managerin Brigitte Engler rechnet mit weitaus leereren Einkaufsstraßen als an normalen Arbeitstagen. Wenn es realistisch sei, dass etwa ein Drittel der Bewohner wegen G20 Hamburg verlassen und nahezu 70 Prozent die Innenstadt meiden wollten, „dann wird die Innenstadt sehr leer sein“, sagt sie.

Zunächst sind alle Augen aber auf die Autonomen-Demo „Welcome to Hell“ gerichtet. „Alle, die mit dem Ziel des militanten Protests in die Stadt kommen, werden an dieser Versammlung teilnehmen“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Eine schwere Aufgabe für die Polizei, die beim größten Einsatz in Hamburgs Geschichte rund 20 000 Beamte aufbietet. Von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gibt es für das Vorgehen an den ersten Tagen aufmunternde Worte: „Ich bin sehr stolz auf die moderate und klug vorgehende Hamburger Polizei“, sagt er.

Die Aktivisten versprechen einen „der größten schwarzen Blöcke“ und kündigen an, sich zu Wehr zu setzen, wenn sie angegriffen würden. „Rote Flora“-Veteran Andreas Blechschmidt sagt: „Es ist nicht das Ziel der Demo, nach 20 Minuten eine Straßenschlacht mit der Polizei anzuzetteln.“ Grote lässt keinen Zweifel, dass die Polizei bei ihrer Linie bleiben wird: „Wenn es dort aus der Versammlung heraus zu Störungen kommt, dann wird es auch eine polizeiliche Reaktion darauf geben.“

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