Experte: Wertschätzung für Parteien im Norden gering

Kiel (dpa) - Die historisch niedrige Wahlbeteiligung und der Siegeszug der Piraten bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gründen sich nach Ansicht des Kieler Politikwissenschaftlers Joachim Krause auch auf eine besondere Situation im Norden.

„Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder beobachtet, dass die Wertschätzung für die politischen Parteien hier geringer ist als in anderen Teilen der Bundesrepublik. Das liegt vielleicht auch an der Qualität unserer Politiker“, sagte der Professor an der Universität Kiel.

Auffällig sei, dass in den vergangenen vierzehn Jahren kein einziger schleswig-holsteinischer Politiker auf Bundesebene ein Ministeramt eingenommen habe oder gar Kanzler oder Präsident gewesen sei. Schleswig-Holsteins Politiker seien außerhalb der Landesgrenzen kaum bekannt, sagte Krause. „Die einzige Ausnahme ist derzeit Herr Kubicki“, betonte er mit Blick auf den Erfolg des FDP-Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki.

Für die Nord-CDU sei bei der Wahl auch die parteiinterne Intrige und Affäre um den CDU-Kandidaten Christian von Boetticher, dessen Verhältnis mit einer Minderjährigen aufflog, nachteilig gewesen. Bei der SPD habe sich zwar der Spitzenkandidat Torsten Albig als eine Art „Lichtgestalt“ etabliert, aber Parteichef Ralf Stegner stehe für eine ideologische und kämpferische Ausrichtung der Partei. Krause: „So etwas schreckt viele Wähler ab.“

Immer mehr Wähler würden zu Hause bleiben oder zu Protestwählern werden, meinte der Experte. „Dann wird die Partei gewählt, bei der man glaubt, den etablierten Parteien am ehesten eines auswischen zu können. Oder viele stimmen für die Partei, von der sie meinen, dass sie die eigene Frustration am besten in die politische Öffentlichkeit tragen kann.“

2009 sei das die Linkspartei gewesen, diesmal die Piratenpartei. Krause: „Welche Partei es in fünf Jahren ist, vermag ich nicht zu sagen.“ Den typischen Protest- oder Nichtwähler gebe es nicht. „Das sind nicht nur die chronischen Hartz-IV-Bezieher, sondern auch Leute, die aus unterschiedlichen Gründen an der Politik verzweifeln oder ohnehin glauben, Politik bringe nichts mehr.“

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