Ex-NSA-Mitarbeiter: Überwachung totalitär

Berlin (dpa) - Der US-Geheimdienst NSA späht nach neuen Berichten gezielt deutsche Netz-Aktivisten aus - und sammelt laut Insider-Aussagen vor dem Bundestag weltweit in totalitärer Absicht Daten.

Die NSA hört mit.

Die NSA hört mit.

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„Sie wollen Informationen über alles haben“, sagte der frühere NSA-Mitarbeiter William Binney in der ersten Zeugenbefragung des NSA-Untersuchungsausschusses in Berlin. Für jeden einzelnen Bürger auch in Deutschland gelte, dass die NSA wahrscheinlich Daten von ihm sammele.

Ex-NSA-Mitarbeiter: Überwachung totalitär
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Nach Recherchen der Sender NDR und WDR spähte die NSA einen Studenten aus Erlangen aus, um über ihn an Nutzer eines Netzwerkes zu kommen, das vor Überwachung im Internet schützen soll.Er sei nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das zweite namentlich bekannte Opfer der NSA in Deutschland. Der Betroffene, Sebastian Hahn, betreibe einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor.Dessen Nutzer landeten in einer speziellen NSA-Datenbank. Täglich griffen Hunderttausende Nutzer allein auf Hahns Server zu.

Hahn sagte der ARD: „Es ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre.“ Er sei schockiert. Alle Verbindungen von seinem Server würden von dem Geheimdienst mitgeschnitten.Auch der Hackerverein Chaos Computer Club ist laut den Berichten Ziel gezielter Ausspähungen.

Im Untersuchungsausschuss kritisierte Binney den US-Geheimdienst als gefährliche Datensammelmaschine.„Das ist wirklich ein totalitärer Ansatz, den man bislang nur bei Diktatoren gesehen hat.“ Ziel sei die Kontrolle der Menschen.

Vor einem Jahr war das massenhafte Abschöpfen auch deutscher Daten durch die National Security Agency (NSA) aufgeflogen. Der Untersuchungsausschuss arbeitet diese Aktionen auf und untersucht auch die Rolle deutscher Dienste.

Die NSA habe im Oktober 2001, kurz nach den Anschlägen vom 11. September, mit dieser massenhaften Datenüberwachung begonnen, sagte Binney, ehemals Technischer Direktor der NSA. Deshalb habe er den Geheimdienst kurz darauf nach mehr als 30 Jahren verlassen. Binney sagte, dass schon zu seinen Zeiten 6000 NSA-Mitarbeiter gesammelte Daten ausgewertet hätten.

Fatal sei die Entwicklung der vergangenen Jahre gewesen, nicht nur Daten von Gruppen unter Terror- oder Kriminalitätsverdacht zu sammeln. „Wir haben uns wegbewegt von der Sammlung dieser Daten hin zur Sammlung von Daten der sieben Milliarden Menschen unseres Planeten.“ Binney habe schon damals argumentiert: „Man muss nur relevante Daten aus den Glasfaserkabeln herausziehen.“ Zugriff auf die NSA-Datenmengen hätten etwa Regierungsministerien oder die US-Steuerbehörde. Die NSA speichere die Daten quasi für immer.

In seiner Zeit bei der NSA seien die Beziehungen zum Bundesnachrichtendienst (BND) sehr eng gewesen - inwieweit der BND heute Daten von der NSA bekomme, wisse er nicht. Aber der BND könne wohl NSA-Spähprogramme nutzen. Auch den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden habe er nicht mehr kennengelernt. Dessen Unterlagen habe er aber angesehen: „Das sind alles echte Dokumente.“

Als Grund für das Abhören des Handys von Merkel nannte Binney, dass der Geheimdienst Denken und Sorgen Merkels besser verstehen wollte. „Man kann es auch als Hebel einsetzen in den Beziehungen“, sagte er. Das Ziel könne die Beeinflussung sein. Am Abend stand noch die Aussage des früheren NSA-Mitarbeiters Thomas Drake auf dem Programm.

Am Rand der Sitzung zeigten sich die Ausschussmitglieder empört über die angebliche Ausspähung der Netzwerks Tor. SPD-Obmann Christian Flisek forderte Generalbundesanwalt Harald Range zu Ermittlungen wegenmassenhafterDatenüberwachung auf.Range solle handeln, „und zwar möglichst schnell“. Es gebe nun keinen Grund mehr, gegen die NSA nur wegen des Verdachts des Abhörens des Merkel-Handys zu ermitteln. Dies hatte Range im Juni angekündigt.

Linke und Grüne kritisierten, dass bisher ausgehändigte Akten der Bundesregierung viele geschwärzte Passagen enthielten. Die Schwärzung müsse zurückgenommen werden, andernfalls müsse man sich gerichtlich streiten, drohte Renner. Auch der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) kritisierte in der ARD, dass viele Stellen unleserlich gemacht worden seien.

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