Analyse Europas ausgestreckter Arm ist zu kurz

Washington (dpa) - Donald gegen den Rest der Welt. Der Ausstieg aus dem historischen Pariser Klimaschutzabkommen steht sinnbildlich für die bisherige Präsidentschaft von US-Präsident Donald Trump. Statt Neues aufzubauen, reißt er das von seinen Vorgängern Erreichte ein.

Analyse: Europas ausgestreckter Arm ist zu kurz
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Und viel wichtiger: Er entfernt sich immer weiter von traditionellen Partnern und Verbündeten in aller Welt. Der ausgestreckte Arm der Europäer hat spätestens mit Washingtons Paris-Ausstieg den Kontakt zur Neuen Welt verloren.

„Dieser Tag wird als Datum in die Geschichte eingehen, an dem die USA als Führer der Freien Welt abgedankt haben“, sagte der unter anderem für CNN tätige Politologe und Autor Fareed Zakaria. „Es ist in wirtschaftlicher Hinsicht falsch, in geopolitischer Hinsicht auch. Es ist eine Lose-Lose-Situation für die USA und die Welt.“ Trump fordere die Allianzen heraus, die die Welt bisher zusammenhielten.

Der Paris-Ausstieg der USA öffnet der Welt vier Monate nach Trumps Amtsübernahme endgültig die Augen. Angela Merkels Satz, Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, bekommt neue Bedeutung. Alle hatten ihn irgendwie vor Augen, aber viele wollten es lange nicht wahrhaben - die USA auf einer Stufe mit den Paris-Verweigerern Syrien und Nicaragua?

Jetzt fallen die Masken: „So geht das nicht“, sagt etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und es sei die Pflicht, Trump das auch mitzuteilen. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte Flagge: „Wir brauchen dieses Pariser Abkommen, um unsere Schöpfung zu bewahren. Nichts kann und wird uns dabei aufhalten.“

Auf Trumps Hinweis, er wolle Paris nachverhandeln, sagte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron barsch: „Es gibt nichts zu verhandeln.“ Und er ruft Trump mehr oder weniger sarkastisch zu: „Let's make our planet great again!“ Lange hat kein US-Präsident so mit sich umspringen lassen müssen. Trump wollte verhindern, dass die Welt über Amerika lacht, wie er in seiner Rede betonte.

Die Gipfeltreffen bei der Nato in Brüssel und der G7 auf Sizilien standen in der vergangenen Woche wegen Trump bereits kurz vor dem Scheitern. Merkel dürfte mit einigermaßen sorgenvoller Miene in Richtung ihrer Geburtsstadt Hamburg blicken. Dort treffen sich Anfang Juli die Staats- und Regierungschefs der G20. Wie mit Trump Kompromisse erreicht werden sollen, steht in den Sternen.

Anders als auf der internationalen Bühne ist Trump zu Hause in den USA nur teilweise isoliert. Während das liberale Amerika faucht, liegt sein Klima-Schritt voll auf der Parteilinie seiner Republikaner. Führende Figuren der konservativen Partei, wie Mitch McConnell und Paul Ryan, applaudierten offen. Die Paris-Befürworter im Trump-Umfeld, wie Wirtschaftsberater Gary Cohn, führten eher taktische als inhaltliche Gründe für den Verbleib an.

Hergeleitet wird die im Ausland kaum für möglich gehaltene Klimaskepsis über konservative Think Tanks wie die Heritage Foundation. „Andere Länder haben eine Vielzahl von ökonomischen, diplomatischen und Sicherheitsgründen, um weiter mit den USA zu arbeiten und gemeinsame Sorgen zu erörtern. Der Rückzug aus der Vereinbarung wird nichts ändern“, schreiben die Spin-Doktoren der Stiftung.

Trump hofft darauf, dass sich seine Einflüsterer nicht täuschen. Die EU und China demonstrierten schon am Freitag, dass es auch anders geht - und unterstreichen ihr Bekenntnis zu Paris. Der Klimaschutz muss nicht das einzige Arbeitsfeld bleiben. Die Botschaft aus Brüssel in Richtung Washington: Es geht auch ohne Euch! Der ehemalige US-Außenminister George Shultz hatte schon zuvor gesagt: „Die Bedeutung von Staaten basiert auf Vertrauen, Reputation und Verlässlichkeit - und die kann man leicht vergeuden.“

Die internationale Diplomatie, auch die Deutschlands, hatte geduldig auf den Moment gewartet, von dem an in Trumps Administration die Internationalisten um Außenminister Rex Tillerson das Kommando übernehmen. Eine Fehleinschätzung. Der nationalistische Flügel um die Berater Stephen Bannon und Stephen Miller behält die Oberhand. Trumps Rede zur Klimapolitik folgte in Inhalt und Tonalität dem aggressiven, unversöhnlichen Muster, das Zuhörer noch vom Tag seiner Verteidigung oder auch jüngst vom Nato-Gipfel in Brüssel kennen.

„Stephen Bannon ist der Präsident der Vereinigten Staaten“, sagte der Moderator und frühere Republikaner-Abgeordnete Joe Scarborough. Dank Leuten wie Bannon schreckt Trump nicht davor zurück, eine der wichtigsten internationalen Vereinbarungen des 21. Jahrhunderts aufzukündigen, um seiner Wählerschaft zu gefallen. „America First!“

Wie sehr sich Trump und seine Administration bereits von Europa, aber auch von Partnerschaften mit Ländern wie Kanada oder Australien entfernt haben, zeigte sich unmittelbar nach der Verkündung im Rosengarten des Weißen Hauses. Trumps Helfer versuchten zu erklären, wie die USA das Pariser Abkommen neu verhandeln wollen.

Zu dem Zeitpunkt hatte Merkel gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Paolo Gentiloni längst eine Erklärung herausgegeben. Tenor: Neuverhandlungen kommen überhaupt nicht infrage. „Keine Schritte rückwärts“, beschied Gentiloni.

Das Tischtuch zu den Verbündeten ist zerschnitten - offenbar bewusst. Oder wie es der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, ausdrückt: „Aufgrund des verloren gegangenen Vertrauens geht nun das amerikanische Jahrhundert endgültig zu Ende.“

Doch geht Trumps Plan auf, mit Schritten wie dem Paris-Rückzug seine eigene Wählerbasis zu befrieden? Endlich die Beliebtheit als Präsident der Amerikaner zu erlangen, die ihm so wichtig ist und für die er fast alles opfert? Endlich nicht mehr Statistiken beugen zu müssen, wenn er politische Erfolge vorweisen will?

Wirtschaftsführer, Gewerkschaften, Ökonomen - das „andere Amerika“ sagt praktisch einmütig, Trump liege falsch. Die Bürgermeister von 50 US-Städten kündigten noch am Donnerstag an, sie würden sich weiter an den Klimakompromiss Viele Bundesstaaten haben ähnliches schon im Vorfeld angekündigt, das liberale Kalifornien schloss mit New York und Washington sofort eine Allianz.

Den großen Energieunternehmen wie Exxon oder Chevron machen die Aktionäre Beine. Wer viel Geld in den Energiesektor investiert, denkt in langen Zeiträumen - weit über Trumps Amtszeiten hinaus. Der Chef des Technologie-Riesen Apple, Tim Cook, erklärte eindeutig: „Der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen war eine falsche Entscheidung.“ Und er versicherte: Sein Unternehmen werde weiter auf saubere Energien und das Recycling von Rohstoffen setzen.

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